Tunten – Aufzucht und Pflege
Kapitel 12: Prall aus dem Leben
Wie erbärmlich, unterbelichtet und kaputt die sprachliche Verständigung unter vielen Schwulen oftmals geworden ist, schildere ich diesmal nicht aus den Untiefen der Online-Welt, sondern aus der für mich noch real existierenden. Nachfolgend führe ich einige Beispiele auf, die ich entweder selbst so erlebt habe oder die mir von glaubwürdigen Bekannten berichtet wurden. Wie es um den zwischenmenschlichen Informationsaustausch in der Hetero- und Lesbenwelt bestellt ist, kann ich als Uneingeweihter nicht beurteilen. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass es in diesem Paralleluniversum nicht wesentlich anders abläuft.
Nachdem die läufige Triebtunte endlich ihr lang ersehntes Date mit dem vermeintlichen Märchenprinzen auf die Reihe bekommen hat, wird sie feststellen, dass sie nach über 100 zuvor präzise gestellten Fragen über das Medium Datenautobahn eine ganz wesentliche vergessen hat: Wie kommunikativ ist der Typ eigentlich? Verbergen sich hinter der Anonymität der Tastatur doch oft wahre Literaturnobelpreisträger, die sich in der Realität als einsilbig antwortende Linguisten entpuppen. Fragen nach Offenheit, Verlässlichkeit oder gar Ehrlichkeit, nach kulturellen, wirtschaftlichen oder religiösen Weltanschauungen unseres neuen Kurzzeit-Ex-Spielzeugs können wir uns am besten gleich abschminken.
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Fallbeispiel 1: In diesem Fall kam mein Date sogar pünktlich. Bevor ich, gastfreundlich wie ich bin, die Frage nach einem Getränkewunsch stellen konnte, bat es mich, ob es vor der von langer Hand geplanten Erstbesteigung noch schnell für ein paar ‚Minütchen‘ mein Hochgeschwindigkeitsnetz nutzen dürfe. Er müsse noch dringend eine lebenswichtige Nachricht bei ‚GayRomeo‘ abrufen. Aus zwei Minuten wurden drei, dann fünf und letztendlich zehn. Wie zufällig schweifte mein Blick im Vorbeigehen über seine Schulter und was sah ich? Noch bevor ich meine erotischen, geschweige denn sexuellen Qualitäten unter Beweis stellen konnte, bastelte der junge Analschakal bereits an seinem nächsten Rendezvous im Dumpfbacken-Kontrollraum.
Die dann doch noch vollzogene, überwiegend schweigsame Kopulation erinnerte mich stark an das Beamten-Mikado: Wer sich zuerst bewegt, hat verloren. Um seine nächste amouröse Verabredung nicht in zeitliche Bedrängnis zu bringen, beendeten wir diese prekäre Situation wechselseitig und einvernehmlich nach zwei Minuten mit einem befreienden: „Ich komme!“ Kaum hatte er seine ausgelaufene Samenflüssigkeit mit zehn Blättern meiner kostbaren Küchenrolle entfernt, begab sich mein Gast, diesmal allerdings ungefragt, dafür aber nun äußerst spärlich bekleidet, umgehend zu meinem elektronischen Blechidioten, um dort hochnotgeil sein nächstes Stelldichein zu arrangieren. Als nur bedingt geduldiger Gastgeber forderte ich ihn nach weiteren zehn Minuten ebenso höflich wie nachdrücklich auf, seinen derzeitigen Aufenthaltsort umgehend zu verlassen. In der gesamten Zeit seiner Anwesenheit wechselte er höchstens zehn halbwegs zusammenhängende Sätze mit mir.
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Nach fast fünf Wochen zog er dann, Gott sei es getrommelt und gepriesen, nachdem er eine eigene neue Wohnung gefunden hatte, wieder bei mir aus. Dies natürlich, ohne mich für die angerichteten Schäden finanziell zu entschädigen, geschweige denn sich einmal für alles zu bedanken oder sich gar bei mir für sein Fehlverhalten zu entschuldigen. Nach seinem für mich segensreichen Auszug in sein eigenes Quartier begegneten wir uns noch einige Male bei einer Flasche Bier in meinem Etablissement und plauderten auf einer bis dahin noch friedlichen Kommunikationsebene. Friede, Freude, Eierkraulen. Dachte ich bis dahin. Im Laufe dieser Gespräche bat ich den ehemaligen Zonendödel mehrmals ebenso höflich wie dringend, mir die von ihm ausgeliehenen Gegenstände, wie beispielsweise meinen neuen MP3-Player, bei nächster Gelegenheit zurückzugeben. Des Weiteren bat ich ihn mehrmals, mir die von ihm verursachten Telefonkosten in Höhe von über 90 Euro zu erstatten. Natürlich war alles Bitten bei dieser parasitären Nebenexistenz vergebens.
Als wir uns nach einigen Wochen zufällig im Chat begegneten, nahm ich Kontakt über das QRY zu ihm auf und bat auf diesem Wege erneut, jetzt natürlich nicht mehr ganz so höflich, um die Rückgabe meines Hab und Guts und um die Begleichung meiner berechtigten finanziellen Forderungen. Als Erklärung lieferte er mir dann das Argument, dass er wegen seines vor Wochen erfolgten Umzugs überhaupt und absolut gar keine Zeit für solche Kinkerlitzchen habe. Dafür hatte er aber nach meinem Kenntnisstand täglich mindestens drei Stunden Zeit, sich in einem Internetcafé aufzuhalten, anstatt die eine Minute zu investieren, mich zu treffen, um meinen Forderungen nach Rückgabe meines Eigentums nachzukommen. Darauf im privaten Raum angeschrieben, erhielt ich im offenen Chatroom >sodass jeder es mitlesen konnte< die dreiste Antwort, ich sei ein asoziales Subjekt! Doch damit nicht genug. Nebenbei drohte er mir, mich durch einen Auftragskiller meines Lebens berauben zu lassen, um meine sterblichen Überreste auf dem berühmten Melatenfriedhof verrotten zu lassen.
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Noch ein Beispiel für fehlgeleiteten Informationsaustausch gefällig? Es folgt Fallbeispiel Nummer 4: Ich denke an nichts Böses, als ich eines Morgens kurz nach dem Erwachen, dem Hochfahren meiner Datenverarbeitungsanlage und dem wie in Trance erfolgten Einloggen beim schwulen Einwohnermeldeamt feststelle, dass ich über Nacht eine Nachricht erhalten habe. Bevor ich den Text lese, halte ich erst einmal die Luft an und schaue mir, wie üblich, erst einmal in Ruhe das Profil des neuen Verehrers an: ein real existierender ‚Jungadonis‘ aus Köln! Bingo! Nachdem sich mein Pulsschlag halbwegs beruhigt hat und ich meine Schnappatmung wieder unter Kontrolle habe, studiere ich neugierig den aus Buchstaben zusammengeklöppelten Text dieses Wunders männlicher Grazie.
Erstaunt nehme ich zur Kenntnis, dass diesem jungen Mann trotz des enormen Altersunterschiedes von immerhin 25 Jahren mein Profil so gut gefallen haben muss, dass er seine angeborene Hemmschwelle überwunden hat, um mich in der Folge fast zu Tode zu texten. Seiner Informationslawine entnahm ich unter anderem, dass er nicht primär auf der Suche nach einem prickelnden Beischlaferlebnis war. Da man mir als Kind beigebracht hatte, höflich auf an mich gerichtete Fragen zu antworten, kam ich seiner Bitte nach einer Antwort nach. Im weiteren Verlauf unserer Online-Korrespondenz schlug mir der bildhübsche Bubi, der nach eigenen Angaben immer noch losgelöst von jeglichem sexuellen Interesse war, vor, ein romantisches Treffen außerhalb der virtuellen Welt zu arrangieren.
Nachdem seit dem Erstkontakt gut eine Woche vergangen war, wir zweimal ausführlich miteinander telefoniert hatten, er mir seine Vorstellungen für unser erstes romantisches Beisammensein schriftlich und mündlich mitgeteilt hatte, war es dann endlich so weit. An einem Samstagabend stand ich, ohne jegliche sexuelle oder sonstige Erwartungshaltung, bestens gelaunt vor der Haustür seines bereits in die Jahre gekommenen Wohnhauses. Innerlich hatte ich mich auf Romantik pur eingestellt und freute mich auf den vereinbarten Kochabend, nette Unterhaltung, dezente Hintergrundmusik und den Schein flackernder Kerzen. Mit einer guten Flasche Rotwein bewaffnet klingelte ich gespannt wie ein Flitzebogen und pünktlich wie ein Schweizer Uhrwerk.
Da es in dem heruntergekommenen Altbau keinen Aufzug gab, stand ich wenig später leicht verschwitzt und schnaufend wie eine alte Dampflokomotive auf dem Podest im fünften Stock seiner Mansardenwohnung. Und da stand er vor mir, lässig an den Türrahmen gelehnt, ein Glas Chateau Clochard in der Hand, ein Jüngling von großer Schönheit, wenn auch mit einer Frisur, die offensichtlich etwas Pech mit dem Haargel hatte. Verwunderlich an dieser Begegnung war für mich, dass der junge Playboy offensichtlich eine etwas seltsame Garderobe trug: Sie bestand lediglich aus einem eng anliegenden, figur- und beulenbetonten schwarz-weißen Slip einer italienischen Nobelmarke. Sonst nichts! Unter anderen Voraussetzungen hätte ich mir einen anerken-nenden Spruch wohl nicht verkneifen können.
Sein breites, sympathisches Grinsen, der Glanz in seinen azurblauen Augen, seine strahlend weißen Beißerchen und die freundliche Aufforderung, doch einzutreten, ließen mich meine anfängliche Unsicherheit schnell vergessen. Ich dachte so für mich, dass er vielleicht nicht genug Zeit hatte, sich vollständig anzuziehen. Nachdem er die Wohnungstür hinter mir geschlossen hatte, schwebte er mit einem eleganten Hüftschwung an mir vorbei und forderte mich mit einem verführerischen Blick auf, ihm zu folgen. Statt wie erwartet die Küche oder das Wohnzimmer zu betreten, führte er mich in sein Schlafzimmer, wo er auf seinem Bett alle in seinem Besitz befindlichen erotischen Sexspielzeuge für den Mann aufgereiht hatte. Auf meine sicherlich berechtigte Frage, ob wir nicht kochen wollten, um dann in der beschriebenen und besprochenen romantischen Atmosphäre das Festmahl zu genießen, fragte er mich ernsthaft, ob ich in einer rosaroten Puddingwelt leben würde.
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Von Anbeginn habe ich mir angewöhnt, mich so authentisch wie möglich zu beschreiben. Zumal es damals noch nicht die technische Möglichkeit gab, den von mir verfassten geistigen Diarrhöen noch das eine oder andere Horrorbild hinzuzufügen. Hier kommt es aber trotz der inzwischen weit fortgeschrittenen Technik bis heute regelmäßig zu mir unverständlichen und nicht mehr nachvollziehbaren Kommunikationssupergaus. Obwohl in meinen Online-Profilen mein wahres Alter steht, meine tatsächlichen sexuellen Präferenzen angegeben sind, ich mich nicht scheue, ein paar meiner aktuellsten Fotos ins Profil zu stellen und mein räumlich sehr begrenzter Aktionsradius angegeben ist, scheinen viele der vor Geilheit triefenden brunftigen Schwuletten nicht nur des Schreibens, sondern auch des Lesens nicht mächtig zu sein. Zum besseren Verständnis gebe ich hier exemplarisch noch einige weitere ‚Gespräche‘ zwischen mir und einer der zahlreichen Ballastexistenzen von GR wieder.
Frischlingen in der schwulen Cyberwelt sei geraten, ein sich anbahnendes Sexdate spätestens nach der 64. ausgetauschten Nachricht und dem Versprechen des Objekts der Begierde, sich noch am selben Tag per Handy zu melden, von der Wange zu wischen. Jetzt zu einem ganz anders gelagerten Fall: Im Rahmen meiner Internetrecherchen stöbere ich von Zeit zu Zeit gerne in den Profilen der jungen und offensichtlich oft sehr naiven Blasehasen in GR, um mich über deren Wissensstand zum Thema HIV zu informieren. Eines Tages stieß ich auf ein Profil, dessen Nickname eindeutig den Schluss zuließ, dass sich sein Besitzer bereits mit jungen 19 Lenzen mit dem HI-Virus infiziert hatte. Ich begann meinen Dialog, in dem ich ihm schriftlich mitteilte, dass ich es sehr mutig fände, sich über seinen Nickname zu seiner Infektion zu bekennen. Nun, ja, antwortete mir das junge Hivchen, in seinem normalen Profil würde er das natürlich nicht schreiben, wobei er mir seinen ‚normalen‘ Nickname nicht verraten wollte.
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Nachdem sich mein Unterkiefer wieder in die richtige und für mich entspannende Position gebracht hatte, machte ich ihn im weiteren Verlauf ausführlich auf die diversen zusätzlichen Risiken seines Sexualverhaltens aufmerksam. Für die Antwort, die ich dann bekam, fehlten selbst mir die Worte, was höchstens ein- bis zweimal im Jahr vorkommen dürfte: „Grins…, danke, das ist lieb von dir, aber ich arbeite jetzt seit zwei Jahren im Krankenhaus als Krankenpfleger auf der HIV-Station. Also, mir musst du da nichts erzählen!“ Das tat ich dann auch nicht mehr und gab ihm im Geiste die platinfarbene Popokarte. Über ähnlich gelagerte Dialoge mit von der Norm abweichenden und fehlprogrammierten Schreiblegasthenikern in einschlägigen Internetforen könnte ich noch stundenlang berichten. Was ich mir an dieser Stelle erspare und wende mich lieber dem nächsten Thema zu.
Schwulenwitz 12:
Kommt ein schwules Pärchen in den Himmel. Da steht Petrus und sagt: „Für jeden Seitensprung gibt es einen Nadelstich.“ Der eine Schwule kommt zurück von der Bestrafung, da fragt Petrus: „Wie viele Nadelstiche hast du bekommen?“ „Drei!“ Fragt der Schwule: „Und wo ist mein Geliebter?“ Sagt Petrus: „Unter der Nähmaschine!“
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