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Tunten – Aufzucht und Pflege

Kapitel 11: Punktgaynau aneinander vorbei

Jetzt widme ich mich einem mir ganz anderen wichtigen Thema: Der oftmals verloren gegangener Fähigkeit der Schwulen, sich anderen Gleichgesinnten klar und verständlich mitzuteilen. Wobei ich nicht ausschließen möchte, dass dieser verbale oder nonverbale Austausch unter den Heteros nicht gaynauso abgedreht, kompliziert, lückenhaft, nervig, unverständlich und hirnrissig verlaufen kann. Aus dem vorangegangenen Kapitel konnten wir lernen, dass der Stricher aus Rumänien seine mühsamen Geschäfte selbst dann führen kann, wenn er der deutschen Sprache weder in Wort noch in Schrift mächtig ist.

Beim Callboy hingegen ist eine der Grundlagen seiner finanziellen Erfolge der, dass er [in der Regel] die Fähigkeit besitzt, mit seinen Gästen auf möglichst hohem Niveau wechselseitig übertragene kommunikative Signale auszutauschen. Wobei es für den geschäftlichen Erfolg außerordentlich wichtig ist, seinen Denkapparat möglichst nicht auf deaktiviert, oder gar auf alkoholisiert zu schalten.   

Mithin sind grundlegende Missverständnisse jedweder Art bereits vorprogrammiert. Dennoch wird häufig übersehen, dass am anderen Ende der klappernden Tastatur ein hektisch um einen Fick bettelnder hochnotgeiler Mensch mit allen seinen Stärken und Schwächen sitzt. Jeder, der diese neuzeitliche und eindimensionale Kommunikationsplattform betritt, sollte dies meiner Ansicht nach ohne jedwede Erwartungshaltung, dafür aber mit dem gebotenen Respekt, machen.

Denn nur wer im Leben nichts erwartet, kann nicht enttäuscht werden! Ich selber betrachte die Chats als für mich meistens amüsanten Zeitvertreib und bin mir dessen bewusst, dass viele meiner Chatpartner schlicht und einfach notorische Zeitdiebe und/oder gefrustete Bi- oder Heterosexuelle, mit oder ohne weiblichen Anhang, sind. Ein weiterer Grund mich in den schwulen Chaträumen zu begeben ist der, dass ich hier meine wenigen sozialen Kontakte pflegen kann, ohne ständig zu meiner schnurlosen Elektropetze greifen zu müssen.

Mit diesem Artikel werde ich bemüht sein, die verschiedensten Kommunikationsstufen möglichst transparent aufzuzeigen. Zum besseren Verständnis für den Austausch von Informationen dient mir der geniale Satz des längst verblichenen Verhaltensforschers Konrad Lorenz: „Gesagt ist noch nicht gehört, gehört ist noch nicht verstanden, verstanden ist noch nicht einverstanden, einverstanden ist noch nicht getan, getan ist noch nicht beibehalten.“ Einprägsamer wird diese weise Erkenntnis, wenn du dir unter dem Austausch von Botschaften das sogenannte Sender-Empfänger-Prinzip ein für allemal einprägst.

Das Inkenntnissetzen erfolgt auf der einen Seite aus der unter den Schwulen so äußerst beliebten Onlinewelt, dem sagenumwobenen Internet, und das selbst für Schwule noch existierende reale Lebensumfeld. Auf jeden Fall hat das Internet für diejenigen den ganz gravierenden Vorteil, mit denen es die Natur vom optischen Erscheinungsbild her nicht so gut gemeint hat. So kann er skrupellos seinem Gegenüber stundenlang vorgaukeln, wie umwerfend attraktiv man doch aussieht. Wie muskelbepackt der eigene Adoniskörper ist, welche Rakete man doch in der Kiste und wie überdimensioniert das zwischen den Gehwerkzeugen baumelnde Gehänge ist.

Über die wahre Geburtsstunde des Internets streiten sich die Gelehrten bis zum heutigen Tag. Ein gewisser Herr Leonard Kleinrock versuchte am 29.10.1969 von Los Angeles aus den ersten Versuch einer Kommunikation zwischen zwei Rechnern, der nach seinem eigenen Protokoll folgendermaßen aussah: Wir tippten also das L ein und fragten am Telefon: „Seht ihr das L?“ „Wir sehen es.“, war die überraschende Antwort. Wir tippten das O ein und fragten: „Seht ihr das O?“ „Ja, wir sehen das O!“   Wir tippten das G ein … und die Maschine stürzte ab. Damit stellt sich für mich die unter Verschwörungstheoretikern beliebte Frage, wie es den Amis gelang, die erste bemannte Flugmission zum Mond, mit der Apollo 11 am 20.07.1969, erfolgreich zu bewerkstelligen. Wenn es doch knapp drei Monate zuvor noch nicht einmal möglich war, ein läppisches Kilobyte von einem Rechner auf den anderen zu übertragen? 

Einige Prachtexemplare der Gattung der Tastaturakrobaten verzichten [aus gutem Grund] auf die Veröffentlichung eines Gesichtsbilds; in Fachkreisen ,Facepic genannt. Dafür lassen sich in ihrem ansonsten aussagefähigen Profilen Informationen finden, die auch schon mal den Gang zur Nougatschleuder erfordern können. Rückschlüsse wegen fehlender Facepics sollte man nicht schließen. So kann es sein, dass jemand aus Diskretionsgründen anderen nicht auf die Nase binden möchte, wer sich hinter dem Profil verbirgt. Bevor man sich entschließt, in das Leben einer neuen Bekanntschaft einzutreten, gibt es ausreichend alternativ Möglichkeiten der Bildübertragung. Allerdings besteht auch die Möglichkeit, dass das Gegenüber wegen eines deformierten und wenig ansprechenden Antlitz bewusst auf eine Veröffentlichung seiner Visage verzichtet.

Manche dieser genetisch entgleisten ‚Gesichts-Attrappen‘ versuchen dieses, von der Natur vorgegebene, Manko dann dadurch auszugleichen, dass sie Unmengen von Fotos über ihren Genitalbereich ins Netz stellen. Was durchaus erneut zum Gang auf die Toilette führen kann. Warum sich viele Internetnutzer nicht in der Lage sehen, ein ansprechendes, professionell erstelltes Bild ihrer Person ins Netz zu stellen, bleibt für mich ein weiteres Rätsel. Stattdessen konfrontierten mich diese virtuellen Sexsuchtbolzen mit sogenannten ‚Selfies‘, die genauso nichtssagend aussehen, wie ein verborgenes Gesicht. Für die meisten routinierten, oberflächlichen Schwuletten gilt der Internet-Spruch: kein Pic – kein Fick.

Anzumerken zum aktuellen Thema über die Kommunikation wäre noch, dass unsere nach Sex winselnden Schnuffies bei einigen Onlineplattformen die Möglichkeit haben, sich in sexuell orientierte Gemeinschaftsräume zu begeben. In denen kann jeder Tagein und Tagaus den Schwindsucht erregenden Suchwahnsinn, ob gewollt oder ungewollt, mitlesen und seinen Senf dazugeben. Teilnehmer sind wieder einmal hirngeschädigte, frustrierte Tunten, Bisexuelle und als Hetero getarnte Männer. Wer dann in dieser öffentlichen Mitlesezentrale nicht wünscht, dass die halbe Nation mitliest, kann sich glücklicherweise mit seinem künftigen Sex- oder Chatpartner in seinen Cyber-Privatraum zurückziehen.

Neulinge sollten sich vor Betreten solcher Kommunikationsfriedhöfe jedoch mit der eigens von unseren Ur-Huschen aus BTX-Zeiten heraus entwickelten textlichen Abkürzungen vertraut machen, da sie sonst künftig in dem Chatroom ihrer Wahl nur noch Bahnhof verstehen. Wofür Generationen von Paukern gelebt und gekämpft haben, verliert in einem solchen Schreibkanal jedwede Bedeutung. Syntaktik, Orthografie? Fehlanzeige. Konstruktions- und Satzbrüche, umgangssprachliche Kontraktionen, dialektische und soziolektale Ausdrucksformen führten und führen zu einer eigenen saloppen, oftmals fehlerhaften und derben Schreibkultur. Um mit der im Chat führenden Flinkezehnfinger-Tipphusche an der eigenen Tastatur nur halbwegs mithalten zu können, müssen tipp- und grammatikalische Fehler genauso gnadenlos ignoriert werden, wie Satzzeichen und das zeitaufwendige Klein- und Großschreiben. Kleinschreibung ist von daher angesagt und Emoticons ersetzen parasprachliche Mittel.


Schwulenwitz 11:

Zwei Schwule stehen auf einer Brücke und denken sich kleine Gedichte aus. Der Erste: „Ich stehe auf der Brück‘, und spuck den Fischen ins Genick.“ Darauf der Zweite: „Ich stehe auf der Brück‘, und steck mir den Finger in den Arsch.“ Sagt der Erste: „Aber das reimt sich doch gar nicht!“ Darauf der Zweite: „Aber es dichtet!“


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