= L E S E P R O B E =

Tunten – Aufzucht und Pflege

Kapitel 14: Von der ,Rue des galopins

,Rue des galopins bedeutet aus dem französischen frei übersetzt in etwa ,Straße der Galopper. Kenner der schwulen Szene Kölns können sich wahrscheinlich denken, um welche unter Homosexuellen weltweit bekanntes Kölner Gässchen es sich in diesem Kapitel handeln dürfte.

Nachdem ich sowohl unseren manchmal doch recht niedlich aussehenden Gesäßschlümpfe, als auch unseren in friedlicher Koexistenz lebenden lieben Heteros und Bisexuellen, tiefe Einblicke in die Welt der Gleichgepolten gewährte, ist es mir ein dringendes Bedürfnis, meine sonntäglichen Beobachtungen auf der ,Rue des galopins zu schildern. Dabei werde ich es mir nicht verkneifen, diese hin und wieder mit meinen pointierten Anmerkungen zu versehen. Je demande pardon. Ich kann Französisch; nur mit der Sprache hapert es ein wenig.

Es ist ein Sonntag, kurz nach 13 Uhr. Im Außenbereich des von mir ausgewählten und frei erfundene ,Café Theuer in der Kölner City, gelang es mir zu so früher Stunde noch einen Sitzplatz zu ergattern. Der von mir präferierte Standort hat den ganz entscheidenden Vorteil, dass ich mich nicht wie auf einem Karl-Lagerfeld-Laufsteg den gelangweilten, arroganten, in sich gekehrten, oder vor Geilheit triefenden Blicken der in Kürze eintreffenden Läster-Schwestern aussetzen muss. Es ist mein Glückstag: Die Sonne scheint und der von mir zuvor erhoffte ideale Beobachtungsposten ist tatsächlich noch frei und ich nehme auf einem der extra für schwule Ärsche gepolsterten billigen Rattan-Stühle aus China Platz. Bei schlechtem Wetter ist auf jeden Fall ein Fensterplatz in einer der Schaufensterecken zu empfehlen. Dieser bietet mir gleichfalls eine grandiose Aussicht über die gesamte Außen- und Innenszenerie.

Nachdem ich einen Blick auf die vor mir liegende Speisen- und Getränkekarte geworfen habe, wird mir klar, woher sich der Name dieses Cafés ableitet. Egal. Das kommende Spektakel ist es mir wert. In der mit einer Freiluftarena vergleichbaren Außengastronomie fühle ich mich als alter Szenenomade und homosexueller Großwildjäger wie auf einer Safari. Mein Platz an der Straßenecke garantiert mir für die kommenden Stunden einen unverstellten Blick auf das Wildgehege. Ich habe mir bei der vorbei schwebenden Husche einen Kaffee bestellen können und warte genüsslich auf das Erscheinen der seltenen und vom Aussterben bedrohten Raubtiere.

Ich bin mir darüber im Klaren, dass die Mehrzahl der aus nah und fern angereisten Rossettenknechte für gewöhnlich erst so gegen 15.00 Uhr an diesem Ort aufzuschlagen pflegen. Brauchen sie doch oft unzählige Stunden, um ihr selbst geschaffenes, ideales, von der vergangenen Nacht jedoch leicht lädierten Mannsbild, vom elegant zurück gegeltes Haar bis hin zu den manikürten Füßchen zu renovieren. Um diese, für schwule Partygänger frühmorgendliche Zeit erblicke ich die eine oder andere drogenberauschte ejakulatsgeschändete Funky-House-Fummeltrine, die offensichtlich soeben die letzte After-Aua-Location an den Ringen verlassen haben muss. Dank der Einnahme von reichlich Ecstasy und anderer Partydrogen konnte sie auf einen Schönheits- schlaf verzichten. Unschwer erkennbar an ihrem schon in jungen Jahren verlebten Gesicht und den dunklen Ringen um ihre tief in den Höhlen liegenden Augen.  

Nachdem ich nun einen ersten schüchternen, aber neugierigen Forschungsblick in die nächsten 20 Meter meines Blickwinkels habe schweifen lassen, stelle ich fest, dass sich in unmittelbarer Umgebung weitere, offensichtlich dem schwulen Publikum zugewandte, nicht nur gastronomisch ausgerichtete Geschäftslokale befinden. Im nahen Umfeld befindet sich ein Pornokino, eine Buchhandlung mit ihrem raffgierigen, jedoch kurzsichtigen Berliner Eigentümer, eine kleine Sauna, einige Arzt- und Psychopathen, excuse-moi: Psychiaterpraxen, ein paar trendige Mode-Boutiquen, ein schwulen-freundliches Stunden-Hotel und sonstige Dienstleistungsanbieter.

Bitte, wir sind nicht in San Francisco der 70er bis Anfang der 80er Jahre, wo es ein Schwulen- und Lesbenviertel mit dem Namen ,The Castro, in etwa so groß wie das Severinsviertel in Köln, gibt. Zu jener Zeit war es durchaus möglich, dass schwule Männer 24 Stunden lang keinen einzigen heterosexuellen Menschen zu Gesicht bekam. Als ich 1991 dieses Viertel besuchte, war es [schwulen-technisch gesehen] relativ tot. So wie viele seiner ehemaligen Bewohner auch. Diese wurden durch die AIDS-Krise in den 80er-Jahren dahingerafft. Mir fiel die Kinnlade herunter, als ich dort in einer Schwulenbar eine Zeitung in Händen hielt, in der seitenweise die Todesanzeigen samt Fotos der Verstorbenen unter Angabe des Geburtsorts und Geburtstags zu sehen waren. Die Stadtbehörden schlossen wegen der dort grassierenden Epidemie viele der öffentlichen Bäder und Saunen; was zur Folge hatte, dass die frei gewordenen Wohnungen überwiegend von Menschen aus Südamerika in Beschlag genommen wurden.

Vor der Sitzplatzbelegung hat es sich die zweibeinige Steckdose von Welt natürlich nicht nehmen lassen, ihren bereits anwesenden Artgenossen durch mehrmaliges sich im Kreis drehen, ihre Designerhose des italienischen Modeunternehmens ,Valentino vorzuführen. Wobei ich rätsel, ob es sich hierbei um die einzige im Besitz des Blenders befindliche Buchse handelt, oder ob es sich um ein in Kambodscha geklöppeltes Plagiat handelt. Während der unvermeidlichen langen Wartezeit auf den von mir diesmal bei der Thekenschlampe in Auftrag gegebenen Latte Macchiato schaue ich erst einmal nach links, dann geradeaus und unauffällig nach rechts. Fürs Erste nicht weiter als zirka zwei Meter von meinem gaynialen Beobachtungsposten entfernt. Nun habe ich die Möglichkeit mir in Ruhe die Mimik, Gestik, Kleidung und den Schmuck meiner Tischnachbarn zu beobachten.

Zwischenzeitlich erscheint mein an Adonis erinnerndes Prachtexemplar mit meinem vor Ewigkeiten bestellten Latte Macchiato, den er behutsam auf meinem wackeligen Tischchen abstellt. Ein kurzer Blick auf seine sündhaft teuren Designer-Sneaker verrät mir, dass ihn diese sicherlich den halben Monatsverdienst gekostet haben dürften. Dann hinterfragt er, in der beschriebenen Teekännchenhaltung und mit leicht gen Himmel zeigender Stupsnase, ob von meiner Seite her noch ein weiterer von ihm erfüllbarer Wunsch bestehen würde. Ich würde liebend gerne Ja sagen und stelle mir dabei vor meinem geistigen Auge die junge Barschlampe schon völlig entblößt in meinen Armen liegend vor.

Schüchtern wie ich bin, begnüge ich mich erst einmal mit dem Macchiato, wobei mich die vorgeführte Pirouette der Bedienung bei deren Abgang vor Neid erneut erblassen lässt. Bei diesem gekonnten Hüftschwung würden mir persönlich ganz sicherlich die restlich verbliebenen heilen Bandscheiben kollabieren. Gelangweilt wende ich mich noch einmal der Speise- und Getränkekarte zu und stelle dabei erstaunt fest, dass man als Schwanzmagnet im ,Café Theuer sogar bis um 18 Uhr frühstücken kann. Was mir gleich wieder vor Augen führt, wie die biologische Uhr der männlichen Partyhuren zu funktionieren scheinen.

Vom Tuckentoaster [weitläufig als Solarium bekannt] malträtiert, erfreut sie sich ihres am Vortag für schweineteuer hingeblätterte Euronen erworbene neue Haarpracht, wo eine kräftige Blondierung dafür sorgt, die graumelierten Schläfen elegant zu vertuschen. Fürs Facelifting wird offensichtlich noch fleißig gespart, dafür ließ man sich die mit Goldpaletten verzierte Designerhose offensichtlich ein kleines Vermögen kosten. Dazu trägt die von mir hier beschriebene schwule Göttin der Geilheit dann ihr halb geöffnetes Hawaiihemdchen, um uns alle an der Präsentation ihres überdimensionierten Goldschmucks am Hals und ihrer ergrauten Brustbehaarung teilhaben zu lassen.

Dennoch kann beides ihren darunter befindlichen Schildkröten-Faltenhals nicht verbergen. Auch hier gilt: Ich muss dieses Elend ertragen; ob ich möchte oder nicht! Bei der Betrachtung ihrer gichtigen, aber gepflegten Hände werde ich fast blind und wünsche mir inbrünstig, mehr dieser Kronjuwelen an meinen Fingern schleppen zu dürfen; wenn sie denn tatsächlich alle echt sind. Ein halbes Dutzend Goldpanzerkettchen an den Handgelenken runden dann dieses, in meinen Augen tuntige Bild des Grauens ab.

Ab nun kann ich mir völlig sicher sein, dass die kommenden sonntäglichen Lästerstunden als eingeläutet betrachtet werden dürfen. Da jetzt fast alle Stühle mit mehr oder weniger ansehnlichen schwulen Ärschen belegt sind, kann das lange erwartete Schaulaufen für diejenigen zweibeinigen Fickschlitten beginnen, die bedauerlicherweise keinen Logenplatz in der schwulen Arena der Eitelkeiten mehr fanden. Immerhin bestraft das Leben ja gerechterweise den, der zu spät kommt.

Immer wieder erstaunlich ist bei meinen intensiven Beobachtungen, dass gerade die Tratschtunten, Krawall- und narzisstischen Lästerschwestern, die es sich aufgrund ihrer eigenen Attraktivität-behinderten Optik eigentlich gar nicht leisten können, am lautesten und schrillsten über ihre Lendengenossen ablästern. Die hier oftmals zu vernehmende verbalisierte geistige Bruttoscheiße übersteigt sehr häufig meine außerordentlich hohe Toleranzgrenze. Im Übrigen sind die überwiegenden Themeninhalte dieser Brechreiz-auslösenden Gesichtsbaracken aus meiner schwulen Sicht kaum einer schriftlichen Erwähnung würdig.


Schwulenwitz 14:

Ein Mann kommt in eine Toilette, wo bereits ein anderer am Pissoir steht. Der andere hat die Arme von sich gestreckt und die Finger krampfhaft gespreizt. Er sieht den gerade hereinkommenden Mann und sagt: „Können sie mir einen Gefallen tun und mir die Hose öffnen und mein Glied herausholen?“ Der Mann ist irritiert, aber er hat Mitleid mit dem offensichtlich behinderten Mann, also macht er es. Nachdem er fertig gepinkelt hat, sagt der Halter: „Soll ich die Hose jetzt wieder schließen?“ Darauf der andere: „Nein danke, ich glaube, meine Fingernägel sind jetzt trocken!“ 


   © Mike Schwarz – Köln 2006 – 2010 / 2024