= L E S E P R O B E N =
Vom Alter | Von der Angst | Von der Armut |
Von der Bequemlichkeit | Vom Bösen | Von den Chancen |
Vom Charisma | Von den Drogen |
> Und was sind die Jahreszeiten anderes als eure wechselnden Gedanken: Der Frühling ist das Erwachen eures Herzens und der Sommer die Entdeckung eurer eigenen Fruchtbarkeit. Und ist der Herbst nicht eure Vergangenheit, die dem Kind in euch ein Wiegenlied singt? Und sagt mir, was ist der Winter anderes als ein Schlaf, reich an Träumen aller anderer Jahreszeiten. Khalil Gibran <

Khalil Gibran
Unter dem Alter versteht man den Lebensabschnitt rund um die mittlere Lebenserwartung des Menschen, also das Lebensalter zwischen dem mittleren Erwachsenenalter und dem Tod. >Quelle: www.wikipedia.de<.
Entschuldigung? Aber da muss ich Wikipedia energisch widersprechen. Nach meinem Verständnis beginnt der natürliche Alterungsprozess des Menschen bereits mit der Verschmelzung zweier Keimzellen: der weiblichen Eizelle mit dem männlichen Spermium. Wie auch immer Lebewesen biologisch, philosophisch, naturwissenschaftlich, soziologisch, humanistisch, pädagogisch beschrieben worden sind: Faktisch sind wir alle nichts anderes als ein physikalisch strukturiertes materielles Objekt und bestehen aus organisch-chemischen Substanzen. Nicht mehr und nicht weniger. Unsere Existenz beruht schlicht darauf, dass wir durch die Zeugung zweier Lebewesen, Vater und Mutter, das Licht, für viele das Dunkel, dieser Welt bei hoffentlich robuster Gesundheit erblickten. Ich möchte mich hier nur auf das menschliche Alter konzentrieren, auf unsere Lebensjahre, von der Geburt bis zum Tod. Auf den schicksalhaften Lauf unseres Lebens, den wir meiner Überzeugung nach nicht ändern können und auch nicht ändern sollten. Wem diese Vorstellung von seinem letzten Atemzug nicht gefällt, der hätte nicht als Mensch, sondern als Pflanze diesen Globus unsicher machen können. Meines Wissens gibt es nur im Reich der Pflanzen Arten, die nicht altern, die quasi unsterblich sind. Vorausgesetzt, der Mensch lässt sie in Ruhe. Pragmatisch betrachtet ist unser Alterungsprozess immer noch sinnvoller, als das Leben einer Eintagsfliege. Und wer möchte schon eine australische Breitfußbeutelmaus sein, die nach einer bis zu 14-stündigen Sexorgie erschöpft den Löffel abgibt?
Vorab und zum besseren Verständnis: In diesem nicht-wissenschaftlichen Beitrag werden Alter und Altern und die damit verbundenen Prozesse vermischt, da sie untrennbar miteinander verbunden sind. Um meiner gedanklichen Struktur für den Aufbau eines jeden Artikels treu zu bleiben, werde ich zunächst einen kurzen Blick in die Vergangenheit werfen, die ja bekanntlich die Zeit ist, die unsere Gegenwart bestimmt. Um 1900 betrug die durchschnittliche Lebenserwartung für Männer 56 und für Frauen 59 Jahre. Hätte ich zu dieser Zeit gelebt, so wäre mein Verfallsdatum längst überschritten. Der Mann heiratete im Durchschnitt erst mit 30 Jahren und konnte mithin damit rechnen, nicht länger als 25 Ehejahre leiden zu müssen. Dies erklärt vielleicht auch die niedrige Scheidungsrate von nur einem Prozent um die Jahrhundertwende. Den gleichen zeitlichen Vorteil hatten deren Nachkommen, nachdem sie mit ihren wenigen Habseligkeiten das elterliche Nest verlassen hatten. Die heutigen Rentenbeitragszahler und -versicherer wird es freuen, denn die Zeit nach dem Renteneintritt dürfte doch recht überschaubar gewesen sein. Ein unschätzbarer Vorteil für die alten Menschen war damals, dass sie trotz der bereits existierenden ‚Siechenhäuser‘ >die gab es wirklich!< und Spitäler ihren Lebensabend im Kreise der Familie verbringen und sich dort noch nützlich machen durften.
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Zum Glück ist die Jugend der nachfolgenden Generationen in einem ihr zugestandenen Schutz- und Watteraum aufgewachsen, in dem sie sich selbst finden und ausprobieren kann. Ob dieser durch längere Ausbildungs- und Studienzeiten auf mehr als zwei Jahrzehnte ausgedehnt werden muss, steht auf einem anderen Blatt Papier. Ich finde es gut, dass die Lebensziele und -entwürfe der Jugendlichen heute geschlechtsneutral sind, dass sie durch das Medium Internet internationaler geworden sind und dass sie sich verstärkt von ihren Eltern distanzieren und eigene Ausdrucksformen schaffen. Das war bei mir nicht anders. Mit dem kleinen Unterschied, dass ich erst 17 Jahre alt war. Weniger gut finde ich, dass auch heute noch innerhalb der arbeitenden und lernenden Jugend nicht nur Unterschiede, sondern auch unterschiedliche Jugendkulturen zelebriert werden. Für mich bedeutet das eine weitere Spaltung unserer Gesellschaft, zumal es heißt, dass wir nur gemeinsam stark sind. Ich bin ab dem siebten Lebensjahr in einer Arbeitersiedlung am Rande des Ruhrgebiets aufgewachsen und sozialisiert worden. Aufgrund dieser Erfahrungen, die ich auf keinen Fall missen möchte, ist mir bewusst, dass es nicht die intellektuelle Elite ist, die den multinationalen Konzern Bundesrepublik Deutschland am Laufen hält. Unabhängig von den unterschiedlichen Epochen, kulturellen, sozialen und religiösen Hintergründen und Unterschieden haben wir auf der ganzen Welt eines gemeinsam: das Altern. Allerdings in unterschiedlichem Tempo und mit sehr individuellen Einstellungen zum Alter.
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Aber so weit sind wir noch nicht. Bevor wir in den wohlverdienten Ruhestand treten, müssen wir noch die Jahre der Jugend und dann die der Erwachsenen durchleben. Die Jahre der Kindheit überspringe ich geflissentlich, denn dazu habe ich mir bereits unter ‚Von den Kindern‘ meine schrägen Gedanken gemacht und niedergeschrieben. Im Allgemeinen wird die Jugend in Deutschland mit dem Eintritt der Geschlechtsreife und der Phase bis diese Gruppe so gut wie ausgewachsen und gefühlsmäßig und gesellschaftlich gereift ist. Die Betonung liegt hier bei ‚so gut wie‘. Ich nenne sie Heranwachsende, kluge Köpfe nennen sie Adoleszenz, das Alter von zwischen 13 und 22. Im Englischen werden Teenager dem Alter entsprechend mit der Endung -teen >thirteen, fourteen usw.< benannt. Zu meiner Zeit nannte man uns ‚Halbstarke‘ oder weniger wohlgesonnen ‚Hottentotten‘. Gemeinsam war und ist uns, dass wir in dieser aufregendsten Zeit unseres jungen Lebens gravierende Veränderungen durchlaufen, wie z. B. die Neuorientierung gegenüber den Eltern oder die Einordnung in Gleichaltrigen- und Interessengruppen. Ganz zu schweigen von der ersten großen Liebe und dem ersten sexuellen Verlangen nach dem anderen oder dem gleichen Geschlecht.
Als Vagina-Allergiker bitte ich an dieser Stelle alle Eltern von schwulen Söhnen und lesbischen Töchtern zu verstehen, dass sich eure Kinder nicht verändert haben, sondern ihr nur eine weitere Facette eures Kindes erleben dürft. Oder wollt ihr euer Kind lieber nach einem erfolgreichen Suizid auf einem Gottesacker besuchen? Ältere Menschen vergessen häufig, dass sie diese Entwicklungsstufen auch einmal durchlaufen haben. Und nun ziehe ich weitere Vergleiche zwischen der Jugend von heute und früher. Meine Volljährigkeit und die der Generationen vor mir lag noch bei 21 Jahren und wurde dummerweise [meine Meinung] zum 01.01.1975 auf 18 Jahre herabgesetzt. Dummerweise deshalb, weil ich denke, dass ein Großteil der heute 18-Jährigen, geschweige denn 16-Jährige, noch nicht die wirtschaftliche, politische und geistige Reife besitzt, um die Tragweite der von ihnen getroffenen Entscheidungen zu überblicken. Gut, das Problem haben auch wesentlich ältere Menschen. Damals wie heute ging es bei der Herabsetzung des Volljährigkeitsalters einzig und allein darum, neue, noch unmündige Wähler für die Politik und neue, konsumfreudige Konsumenten für die Wirtschaft zu generieren.
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Aus eigener leidvoller Erfahrung weiß ich, dass das Alter, in diesem Fall das Rentenalter, nichts für Feiglinge ist. Von wegen wohlverdienter Ruhestand! Mein kleines ‚Altersproblemchen‘ ist, dass ich mich mental wie mit 40 und gesundheitlich wie ein Hochbetagter fühle. Als kleiner, schlagkräftiger und krawallerprobter Teil der Kölner Schwulenbewegung ab Ende der 80er Jahre habe ich mir damals natürlich keine Gedanken über das Alter gemacht. Für mich war es zu dem Zeitpunkt völlig unvorstellbar, dass ich ungeplant und ungewollt bereits mit 45, 46 auf fremde Hilfe, >Riesendank an unser Sozialsystem< angewiesen sein würde und als ‚Frührentner‘ davon mächtig profitiert habe. Um ehrlich zu sein: Auch jetzt, wo ich das Rentenalter längst überschritten habe und nur einer von über sieben Millionen Menschen in Deutschland mit einem Schwerbehindertenstatus bin, denke ich nicht groß über mein Alter nach. Als älterer Mann sage ich mir, dass ich nicht mehr jung aussehen möchte, sondern in einem Zustand relativer, am liebsten vollkommener Zufriedenheit. Das ist nicht immer einfach. Vor allem, wenn sich ‚die Reihen lichten‘, wie meine Mutter zu sagen pflegte. Sie meinte damit, dass die alten Weggefährten nach und nach vor ihr das Lebensende erreichten.
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Mit dem ersehnten Ruhestand beginnt leider für die meisten Senioren ein Leben mit eingeschränkten finanziellen Mitteln. Womit ich bei einem weiteren meiner Reizthemen, der sozialen Ungerechtigkeit, angekommen bin. Wenn Opi schlau und arbeitsscheu war, ist er Beamter geworden. Und weil er in seinem Leben so viel für die Allgemeinheit getan hat, darf er schon mit 50 Jahren in den wohlverdienten, vom Steuerzahler finanzierten Vorruhestand gehen. Für den er übrigens keinen einzigen Euro in die Rentenversicherung einzahlen musste. Dann kann er seine statistischen 29 Lebensjahre in Ruhe genießen und eine neue Karriere in der Politik beginnen. Oder als Denunziant im Kleingartenverein. Omi wird, dank der guten und fürsorglichen Pflege durch Opi, der Solidargemeinschaft statistisch locker noch gut drei Jahre länger auf der Tasche liegen. Dank des medizinischen Fortschritts auch hier Tendenz steigend. Rentnerparadies Deutschland? Weit gefehlt. Die Wirklichkeit sieht leider anders aus. Ganz anders. Zumindest für die breite Masse unserer Bevölkerung, die noch dazu 40 Jahre und länger fleißig und rechtschaffen gearbeitet hat!
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Kopfschüttelnd musste ich zur Kenntnis nehmen, dass die gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen die Kosten für diese ca. 1.500 € teuren, praktischen und wendigen Mobilitätshilfen nicht übernehmen. Lieber zahlt man für die maximal 6 km/h schnellen Elektrorollstühle ab 4.000 € aufwärts. Weiter geht es mit einigen statistischen Zahlen und Fakten, wobei ich weder das eine noch das andere mag: Im Jahr 1991 gab es rund 12 Millionen Menschen, die älter als 65 Jahre waren, was einem Anteil von 15 % an der Gesamtbevölkerung entsprach. Innerhalb von nur 21 Jahren stieg ihr Anteil auf rund 18,7 Millionen oder 22 %. Noch schneller wuchs die Zahl der sogenannten Hochbetagten. So oder so sind Senioren ein nicht zu unterschätzendes Wählerpotenzial für unsere Parteien. Ein kleiner Lichtblick für alle jüngeren Rentenbeitragszahler: Inzwischen sterben mehr Menschen als geboren werden. Im Jahr 2022 werden es eine Million gegenüber 800.000 sein, was die zu erwartende Bevölkerungszahl jährlich um 1 bis 2 % reduziert. Es sei denn, andere, heute weit entfernte Völker überrennen unser Land, in dem angeblich Milch und Honig fließen, und füllen fleißig die leeren Töpfe unseres Sozialsystems. Sorgen bereitet mir die zukünftige medizinische Versorgung: Schon heute ist 1/3 aller Ärzte 55 Jahre und älter.
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Dass unser marodes Rentensystem bei steigender Lebenserwartung und sinkender Zahl der Beitragszahler irgendwann kollabieren wird, hätten die verantwortlichen Politiker schon vor 30 und mehr Jahren erkennen können. Dies ist umso erstaunlicher, als in allen beteiligten Ministerien eine Armada von hoch bezahlten, zum Teil akademisch eingebildeten, aber offensichtlich unfähigen Beamten des höheren und gehobenen Dienstes sitzt. Dazu kommen noch zahlreiche externe Betrugsfirmen. Alles natürlich auf Kosten des braven Steuerzahlers. Den allermeisten nach Macht strebenden Politikern im Deutschen Bundestag fehlt einfach das Verantwortung-Gen und das vorausschauende Denken. Zu den bisherigen Rentenreförmchen hätte ich einen revolutionären Vorschlag für die Damen und Herren im Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Blablabla: Warum ist man nicht längst dazu übergegangen, jedem Bürger seine Rente nicht erst im Alter, sondern schon in jungen Jahren auszuzahlen? Würden wir unsere Rente bis zum 30. Lebensjahr beziehen, könnten wir unsere Freiheiten bei bester Gesundheit genießen. Bis zum 18. Lebensjahr erhielten wir ein sattes Kindergeld und in den folgenden zwölf Jahren unsere nicht selbst verdiente Jugendrente oder ein entsprechend hohes Bafög. Danach wäre ein Arbeitsleben bis ins hohe Alter und bis sich der Sargdeckel schließt angesagt. Für die ‚die da oben‘ von mir aus auch mit Staatsbegräbnis.
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Bei allem Zynismus und Sarkasmus in meinen bisherigen Ausführungen: Ich verstehe die Verärgerung der heutigen Rentnerinnen und Rentner und derer, die kurz vor ihrem wohlverdienten Ruhestand stehen! Sie wurden von unserem Staat schlichtweg um ihre Altersvorsorge betrogen. Dieser Betrug begann bereits mit Dr. Konrad Adenauer >CDU<, auch der ‚Alte von Rhöndorf‘ genannt, unserem ersten Bundeskanzler >1949 bis 1963<. Er führte in den ersten vier Jahren seiner Alleinregierung 1957 nicht nur das Kindergeld ein, sondern schuf auch die Grundlage für die noch heute bestehende staatliche Altersversorgung, wobei es mir schwerfällt, noch von ‚Versorgung‘ zu schreiben. Nicht wenige unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger, die den einst weltweit bewunderten Sozialstaat BRD mit aufgebaut haben und längst im Ruhestand sind, leben heute an oder unter der Armutsgrenze. Was den Beamten natürlich nicht passieren kann. Bevor ich mich jetzt weiter aufrege, komme ich auf das aktuelle Thema zurück und spare mir weitere Tiraden für das Kapitel ‚Von der Armut‘ auf. Mich erstaunt, dass trotz der seit Jahrzehnten anhaltenden Weltuntergangsstimmung, hervorgerufen durch den permanenten Raubbau an unserer Natur, die Menschen in Deutschland immer vitaler und älter werden. Allen voran unsere Beamten. Biologisch alt zu sein, heißt heutzutage dank des medizinischen Fortschritts noch lange nicht, körperlich und geistig alt zu sein. Und alt ist nicht gleich altmodisch.
Unsere diäten- und privilegiengeilen Abgeordneten in Berlin haben sich in ihrer Rentenpolitik zum Thema Altersarmut etwas Neues einfallen lassen: Sie unterscheiden zwischen einer relativen und einer absoluten Armut. Ich denke, dass alle, die in Armut leben, ob selbstverschuldet oder nicht, wenig bis gar kein Verständnis für diese Differenzierung haben. Bei meinen zahlreichen Beobachtungen der Armut hier in Köln, nicht in Afrika oder sonst wo auf der Welt, ist mir immer wieder die Zwillingsschwester der Armut aufgefallen: der Hunger. Damit meine ich nicht die vor allem aus Osteuropa stammende ‚Bettelmafia‘, die wie Heuschrecken über ganz Deutschland hergefallen ist. Sondern die Menschen, die abseits der Touristenströme in und neben Müllcontainern voller Scham, mit meist zerschlissenen Kleidern und Schuhen nach etwas Essbarem suchen müssen. An denen wir Tag für Tag achtlos vorbeigehen. Geschweige denn, ihnen ein Almosen zukommen zu lassen. Das Paradoxe daran: Als Steuerzahler werfen wir seit Jahrzehnten Milliarden und Abermilliarden in die Mäuler der Hungernden dieser Welt. Nur für unschuldig in Armut geratene ältere, deutschstämmige Mitbürger ist nicht genug Geld da?
– ENDE –
> Beherzt ist nicht, wer keine Angst kennt, beherzt ist, wer die Angst kennt und sie überwindet. Khalil Gibran <
Sigmund Freud >ursprünglich Sigismund Schlomo Freud ‚6. Mai 1856 in Freiberg/Mähren; †23. September 1939 in London< war ein österreichischer Neurologe und Tiefenpsychologe. Er erforschte zunächst die Hypnose und deren Wirkung, um psychisch kranken Personen zu helfen. Später wandte er sich von dieser Technik ab und entwickelte eine Behandlungsform, die u. a. auf freien Assoziationen und Traumdeutung beruhte, um die seelische Struktur des Menschen zu verstehen und zu behandeln >Psychoanalyse<. Nach ihm ist der ‚Freudsche Versprecher‘ als offensichtlichstes Beispiel einer Fehlleistung benannt >Quelle: www.wikipedia.de<.
Da Freud >wir kennen ja die ‚Freud’sche Fehlleistung‘< ganz schön mächtig einen an der Klatsche hatte, schreibe ich das folgende Kapitel a) mit meinen eigenen Worten und Gedanken, und b) ohne tiefenpsychologisch geschult zu sein. Wer kennt es nicht, das Gefühl der Angst? Korrekterweise müsste es aber Ängste heißen, denn Angst hat viele Gesichter, viele Ursachen und viele Namen. Ist die Angst krankhaft übersteigert oder rational nicht begründbar, sprechen Gehirn-Psychotroniker von Angststörungen oder Phobien. Es ist kaum zu fassen, wie viele solcher Phobien Psychologen inzwischen aufgelistet haben. Sie reichen von der >Abortphobie<, der Angst vor einer Fehlgeburt, über die >Nomophobie<, der Angst ohne Handykontakt zu sein, bis hin zur >Zoophobie<, der Angst vor Tieren. Grundsätzlich ist Angst nichts, wovor man sich fürchten muss. Sie ist ein natürliches Grundgefühl fast aller Lebewesen. Je nach Situation steht dem einen oder anderen die Angst, ob vor erwarteten oder unerwarteten Bedrohungszenarien, buchstäblich ins Gesicht geschrieben.
Die ersten Ängste erleben wir alle bereits in der frühen Kindheit, obwohl wir vor der Geburt im weitgehend geschützten Mutterleib relativ angstfrei aufwachsen. Das Gegenteil von Angst ist für mich Vertrauen. Wo aber liegen die Wurzeln der Angst? Einen großen Anteil daran haben negative Erfahrungen in der frühen Kindheit. Bereits Säuglinge, also Kinder im Alter von null bis sechs Monaten, haben entwicklungsbedingte, instinktive Ängste. Sei es die Angst vor der Trennung von der Mutter, vor Lärm oder vor kalten Hundeschnauzen. Mit sechs bis zwölf Monaten kommt die Angst vor Schmerzen hinzu, wenig später die Angst vor Unbekanntem, vor Ortsveränderungen und/oder neuen Situationen. Mit zunehmendem Alter folgen dann die Angst vor Monstern, wobei es sich nicht unbedingt um die eigene Oma handeln muss, vor der Dunkelheit und vor Blitz und Donner. In der Regel werden die kleinen Teppichratten im Kleinkindalter zusätzlich zum ersten Mal mit Verboten konfrontiert. Diese führen zu einem inneren Konflikt zwischen dem, was wir als Kind wollten, unserem natürlichen Freiheits- und Forscherdrang, nachdem wir bis dahin in völliger Abhängigkeit von unseren Bezugspersonen gelebt haben, und dem, was unsere Eltern oder Erzieher uns auferlegt haben. Dem Drang nach Selbstentfaltung steht meist die Doktrin gegenüber, was wir zu tun und zu lassen haben. In dieser entscheidenden Entwicklungsphase entstehen unsere Ängste, Aggressionen, Zerstörungswut, inneres Chaos und andere spätere Fehlverhaltensweisen.
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Grundsätzlich gilt aber, dass wir diese Ängste, die wir in der Kindheit erworben haben, auch wieder abbauen können. Entweder, indem wir selbst lernen, mit unseren Ängsten umzugehen, oder indem wir professionelle Hilfe von qualifizierten Therapeuten in Anspruch nehmen. Ideal wäre es natürlich, wenn wir eine Erziehung genossen hätten, die uns frei von Zwängen und Ängsten gemacht hätte. Leider ist dies selten der Fall. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass, wenn man gegen Ängste ankämpft, diese zunächst zunehmen, dann aber wieder deutlich abnehmen. Eine Selbsttherapie setzt allerdings voraus, dass man sich in einem ansonsten stabilen psychischen Zustand befindet. Ansonsten empfehle ich, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Für mich gibt es zwei Formen der Angst: Eine gesunde Form der Angst, die unseren Vorfahren und der Tierwelt das Überleben in der damaligen Umwelt ermöglichte, und eine krankhafte Form der Angst, die zu schweren psychischen, seelischen und/oder körperlichen Erkrankungen führt.
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Mir persönlich hat diese natürliche Angst in der Vergangenheit mehrfach das Leben gerettet. Ich kenne Situationen, in denen sich mir aus unerklärlichen Gründen die Nackenhaare sträubten, was in diesen Augenblicken, die nur Bruchteile von Sekunden dauerten, meine Aufmerksamkeit in solchen Situationen abrupt erhöht hat und ich so den drohenden Gefahren ausweichen konnte. Seien es Verkehrsunfälle oder Angriffe auf meine oder andere Personen. In einem für mich unvergesslichen Fall konnte ich im Herbst 1992 auf einer Autobahnraststätte an der A 11 nahe der polnischen Grenze in ‚Dunkeldeutschland‘ einem jungen Mann das Leben retten: Dessen einzige Aufgabe war es, als Beifahrer auf mich zu warten, bis ich von einer kurzen Pinkelpause zurückkam. Auf dem Weg zur Toilette hatte ich aus den Augenwinkeln einen als Krankenwagen getarnten Kastenwagen gesehen, der in einiger Entfernung einsam in der Dunkelheit geparkt war. Während ich gerade eine Stange Wasser in die Ecke des Pissoirs stellte und sich mir im wahrsten Sinne des Wortes die Nackenhaare sträubten, waren drei Organdiebe gerade dabei, das naive und ahnungslose Opfer in Richtung dieses Fahrzeugs zu führen. Wie von einer Tarantel gestochen, stürmte ich mit offenem Hosenstall aus dem WC und verhinderte das geplante grausame Verbrechen. Nur eine Minute später und ich hätte ratlos in meinem Auto gewartet, während die Täter mit ihrem Opfer auf Nimmerwiedersehen verschwunden wären.
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Eine bei mir in der Praxis bewährte Methode zur Angstbekämpfung, die übrigens auch für bestehende Sorgen gilt, ist, sich in einer ruhigen Stunde einmal hinzusetzen und nach der von mir angewandten Yin-Yang-Methode die Angstauslöser auf ein Blatt Papier zu schreiben. Dazu teile ich das Blatt zunächst mit einem Stiftstift in zwei Hälften. In die linke Hälfte schreibe ich zum Beispiel, wovor ich keine Angst habe und in die rechte Hälfte liste ich meine akuten Ängste auf. Dabei merke ich mir die linke Hälfte als die positive und die rechte Hälfte als die negative. Nun konzentriere ich mich auf die rechte Seite und bewerte meine aufgeschriebenen Ängste oder Sorgen nach meiner persönlichen Wichtigkeit. Die Angst, die ich am leichtesten überwinden kann, setze ich an die erste Stelle, die größte Angst an die letzte. Schritt für Schritt versuche ich dann in Zukunft, eine bestehende Angst von der rechten Hälfte des Blattes auf die linke, also positive Seite zu übertragen. Diese Methode funktioniert in nahezu allen Lebensbereichen! Probiere es aus!
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Im Ausland spricht man von ‚German Angst‘, einem Stereotyp, das ein als typisch empfundenes soziales und politisches Kollektivverhalten beschreibt. Im Kontext betrachtet, ist diese Bezeichnung allerdings wenig spaßig. Sie besagt, dass wir Deutschen berechtigte Ängste vor einer Vielzahl potenzieller Bedrohungen haben. Sei es zum Beispiel die berechtigte Angst vor Atomkraftwerken, Atombomben, Umweltverschmutzung, drohendem Klimawandel, Terroranschlägen, Hackerangriffen, Inflation oder Kriegen. Diese Ängste werden jedoch nicht von allen Menschen gleich empfunden, sondern unterscheiden sich je nach Geschlecht, ökonomischer und politischer Orientierung, Konfession oder Herkunftsland. So fürchtet der eine den Untergang der katholischen Kirche, während der andere >ich zum Beispiel< Freudentänze aufführen würde. Zu ihrer Bewältigung entwickelt der Mensch entsprechend seiner angeborenen Gefühlsstruktur und seines erlernten Umgangs mit Risiken ein breites Spektrum von Verhaltensweisen, die nicht immer stabil sind, sondern je nach angstauslösender Situation stark variieren.
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Bei allen bekannten Angststörungen geht es zunächst darum, sich dem Problem zu stellen. Mit der Zeit und/oder mithilfe von ausgebildeten Heilern, unter denen es leider auch Scharlatane gibt, kann es gelingen, den Schrecken der Angst zu verlieren. Mit ihrer Hilfe ist es durchaus möglich, bestehendes Angstverhalten in angstfreies Verhalten umzuwandeln. Schritt für Schritt können so Ängste und Phobien abgebaut werden. Wer lebt schon gerne mit Ängsten? Für mich persönlich gibt es drei Ebenen der Angst: die subjektive Angst durch verbale Äußerungen, ängstliche Gedanken oder Befürchtungen. Die Verhaltensangst, die sich darin äußert, dass wir die Begegnung mit dem Angstauslöser vermeiden. Beispiel: >Treppensteigen statt Aufzugfahren<. Die psychische Angst, die sich in Schweißausbrüchen, Herzrasen oder Muskelverspannungen äußert. Ich kenne hier Fälle von sehr erfolgreichen Verhaltenstherapien und glaube, dass eine angstfreie Gesellschaft auch zu einer friedlicheren Gesellschaft und zu einem harmonischeren Umgang der Menschen untereinander führt, was wünschenswert wäre.
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Spätestens als Erwachsene haben viele Menschen wie Majestix aus der französischen Comicserie ‚Asterix‘ Angst, dass ihnen eines Tages der Himmel auf den Kopf fallen könnte. Und auf eben diesen Ängsten beruht das Riesengeschäft aller Versicherungen, ob sinnvoll oder nicht. Menschen versichern sich gegen Schäden, die mit einer Wahrscheinlichkeit von bis zu 99 Prozent nie eintreten werden. Einige Beispiele: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Haus abbrennt, liegt rechnerisch bei 0,1 %. Aufgrund des hohen Wertes ist es natürlich sinnvoll, sich dagegen zu versichern. Vorausgesetzt, man ist Eigentümer einer Immobilie. Ansonsten genügt eine Hausrat- und Privatrechtsschutzversicherung. Eine Hochzeitsversicherung für den Fall, dass der Bräutigam aus Angst vor einer lebenslangen Bindung kurz vor dem Jawort das Weite sucht, ist dagegen schwachsinnig. Andere skurrile Versicherungen springen gegen eine entsprechend hohe Prämie ein, wenn man als rücksichtsloser Verkehrsteilnehmer geblitzt oder beim Schwarzfahren erwischt wird. Man mag es kaum glauben: Auch gegen die Angst, von einem Außerirdischen ins All entführt und wieder auf die Erde zurückgebracht zu werden, gibt es eine Entführungsversicherung der amerikanischen >St. Lawrence Agency<. Sollte eine von einem Alien geschwängerte und psychisch verstrahlte Frau aus dem All zurückkehren, verdoppelt sich die Versicherungsleistung. Allen Versicherungen gemeinsam ist, dass man sich im Schadensfall sicher sein kann, dass man genau für diesen Fall keine Versicherung abgeschlossen oder das Kleingedruckte übersehen hat. Seit Jahren frage ich mich: Warum gibt es keine Versicherung gegen Versicherungen?
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-Fortsetzung folgt-
>Die Armut macht die Würde der Seele sichtbar, mein Freund und der Reichtum enthüllt ihre Verderbtheit. Khalil Gibran <
Armut bezeichnet den Mangel an Chancen, ein Leben zu führen, das gewissen Minimalstandards entspricht. Die Maßstäbe für diese Standards und die Vorstellungen über die Ursachen von Armut sind örtlich und zeitlich sehr verschieden. Die WHO definiert Armut nach dem Einkommen. Danach ist arm, wer monatlich weniger als die Hälfte des durchschnittlichen Einkommens seines Landes zur Verfügung hat. In Deutschland sind das etwa 600 Euro. >Quelle: www.wikipedia.de<
Gut, dann bin ich nicht arm! Wobei ich Armut auch nicht nur am Einkommen festmache. Laut unserer lieben Bundesregierung gibt es wegen der Vielschichtigkeit keine allgemein gültige Definition von Armut >Stand 2001<. Dennoch will ich versuchen, die Vielschichtigkeit der Armut, die es auch in Deutschland gibt, zu definieren. Der Tsunami vom 26.12.2004 in Südostasien hat gezeigt, dass Armut auch tödlich sein kann. In den meisten Ländern dieser Regionen fehlten die finanziellen Mittel für Frühwarnsysteme, die in der Folge viele der meist armen Bewohner dieser Regionen hätten retten können. 130.000 Menschen starben an den Folgen der Armut. Darüber hinaus wurden 2 bis 3 Millionen Menschen durch die Naturkatastrophe unverschuldet in Armut gestürzt. Auch auf den Malediven hat sich die Bevölkerung durch die Katastrophe halbiert. Eine andere Form der Armut wurde durch den Hurrikan Katrina am 29.08.2005 in den USA sichtbar. Trotz des Wissens um die Gefahren, insbesondere für die Stadt New Orleans, blieben entsprechende Hochwasserschutzpläne in den Schubladen. Deren Realisierung hätte den amerikanischen Staat nur schlappe 200 Millionen US-Dollar gekostet, sicher weit weniger als die über 800 Toten, die bei dieser Katastrophe zu beklagen waren. Rein rechnerisch war den Verantwortlichen mithin jeder einzelne Tote gerade einmal 250.000 Dollar wert. Welche Dramen sich für die Überlebenden im Mississippi-Delta abgespielt haben müssen, die plötzlich obdachlos waren, möchte ich mir gar nicht ausmalen.
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Wenige Wochen später eskalierte die armutsbedingte Situation dann in unserem Nachbarland Frankreich, wo überwiegend hoffnungslose Jugendliche, die ohne Zukunft in Ghettos am Rande der Großstädte leben und ihren Unmut über ihre Perspektivlosigkeit freien Lauf ließen. Selbst kriegserfahrene Fotografen aus dem Irak oder Afghanistan wagten sich nicht mehr in diese Vorstadtghettos. Kaum einer der Festgenommenen, zumeist aus den nordafrikanisch stammenden Ländern, war über 25 Jahre alt und manche gerade mal zwölf Jahre jung. Die französische Politik muss den Medien vor den öffentlich gewordenen Gewaltausbrüchen den Maulkorb verpasst haben. Bevor die Bilder von brennenden Autos und Gebäuden um die Welt gingen, waren bereits in Frankreich im Jahre 2005 über 30.000 Autos in Flammen aufgegangen und über 9.000 Polizeifahrzeuge wurden demoliert! Auch das ist ein Zeichen von Armut: von Armut abzulenken.
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Für den Fall, dass vom großen Kuchen noch ein paar Krümel übrig bleiben, rühmen sich diese humanitären, karitativen und Verbreitungsvereine >was auch immer das sein mag<, den Armen und Obdachlosen dieser Republik mit Rat und wenig Tat zur Seite zu stehen. Steuerfinanziert, wohlgemerkt! Der gegen Ende des 19. Jahrhunderts aufkommende Industriekapitalismus führte aufgrund des Bevölkerungswachstums und der industriellen Entwicklung zu einer Massenverelendung, die die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer werden ließ. Leidtragende waren vor allem Frauen und Kinder, die von der Gesellschaft als Schmarotzer angesehen wurden. Wer keine Arbeit fand, aus welchen Gründen auch immer, galt als arbeitsscheuer Müßiggänger und wurde als selbstverschuldet in die Ecke gestellt. Während sich die Industriellen die Taschen füllten, mussten sich die als ‚Abschaum‘ bezeichneten Landstreicher, Bettler und Tagelöhner mangels Sozialleistungen von Vater Staat mit Almosen begnügen. Zu ihnen gesellten sich dann noch die traditionell armen Bauern, die aufgrund des immer stärker werdenden Ausbeutungsdrucks in großer Zahl ihre landwirtschaftliche Tätigkeit aufgaben und in die Städte flüchteten. Damals wie heute: Armes Deutschland.
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Was aus den Verheißungen des ‚Heilsbringers‘ geworden ist, wissen wir aus der Geschichte: Hunger, Armut und Zerstörung. Leidtragende waren diesmal vor allem die Alten und Kriegsversehrten, die an der positiven wirtschaftlichen Entwicklung nicht mehr teilhaben konnten. Sie wurden zu einem großen Teil Opfer der sehr knapp bemessenen Versorgungsleistungen. Mit der Zeit wurde aus der kollektiven Armut des Volkes die Armut des Einzelnen. Mit dem Anstieg der Arbeitslosigkeit und der damit verbundenen Armut in den 80er Jahren waren vor allem ganze Familien betroffen. Allein arm zu sein ist schlimm genug, als Familie arm zu sein ist die Hölle. In diesen Jahren stieg nicht nur die Zahl der minderjährigen Kinder in Armut, sondern auch die Zahl der Alleinerziehenden. Die Wiedervereinigung, die Folgen der Massenarbeitslosigkeit, die stark zunehmende Migration und finanzielle Kürzungen haben die Zahl der Armen steigen lassen, woran sich bis heute leider nicht viel geändert hat. Paradoxerweise nimmt die soziale Ungleichheit und damit die Armut zu, während der allgemeine Wohlstand wächst. Und damit bin ich endlich bei meinem aktuellen Bericht über die Armut angelangt.
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Absolute Armut gibt es angeblich in der BRD nicht, es sei denn, jemand hat sich freiwillig dafür entschieden oder ist nicht mehr in der Lage, die sozialen Sicherungssysteme in Anspruch zu nehmen. Absolute Armut kennen wir aus Entwicklungsländern, wo Menschen am Rande des Existenzminimums leben müssen. Verwahrlosung, Verrohung und menschenunwürdige Entbehrungen, die nicht selten zu Mord und Totschlag führen, sind die Folgen. Abgesehen von der mangelnden medizinischen Versorgung in diesen Entwicklungsländern finde ich es auch arm, wenn Pharmakonzerne skrupellos Medikamente, die in westlichen Kulturen vom Markt genommen wurden, an die Ärmsten der Armen verkaufen oder den von HIV oder AIDS Betroffenen erst gar keine Medikamente zu erschwinglichen Preisen zur Verfügung stellen!
Auf der anderen Seite behaupte ich, dass die gut gemeinten Milliarden an Entwicklungshilfe der letzten Jahrzehnte zu einer ungewollten Abhängigkeit der betroffenen Länder geführt haben und zu einem großen Teil in dunkle Kanäle geflossen sind. Warum krempelt die arbeitsfähige Bevölkerung in den Nehmerländern nicht die Ärmel hoch und hilft mit, ihr Land aus eigener Kraft aufzubauen? Warum sollten sie? Als Opfer des Hungers wissen sie doch, dass es ohnehin Hilfe gibt. Hilfe, für die die Menschen in den Geberländern hart arbeiten und Steuern zahlen müssen.
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Am härtesten trifft Armut nach wie vor Kinder und Jugendliche, die in Familien aufwachsen, in denen von Geburt an nicht genügend finanzielle Mittel zur Verfügung stehen. Die Folgen dauerhafter Armut: keine Möglichkeit zur gesellschaftlichen Teilhabe, Verzicht auf Güter des täglichen Bedarfs wie Kleidung und Schuhe, schlecht beheizte und zu kleine Wohnungen. Hinzu kommen weniger soziale Kontakte und Freizeitaktivitäten, ein schlechterer Gesundheitszustand, ein niedrigeres Bildungsniveau, verbunden mit deutlich geringeren Chancen auf dem Arbeitsmarkt und vieles mehr. Kurz: ein Leben, das von Mangel und Verzicht geprägt ist. An dieser Stelle darf jeder Leser einmal ernsthaft darüber nachdenken, ob es nicht sinnvoller wäre, den Blick auf die Kinderarmut im eigenen Land, in der eigenen Stadt, in der eigenen Nachbarschaft zu richten, anstatt Patenschaften für Kinder in fernen Ländern zu übernehmen, nur um das eigene soziale Gewissen zu beruhigen. Haben unsere eigenen 2,5 Millionen desillusionierten Kinder, die kein Geld für Essen, Kleidung, Spielzeug oder Bildung haben, kein Recht auf eine Chance auf eine unbeschwerte und glückliche Kindheit?
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Während in Deutschland bei jedem quer sitzenden Furz der mobile Pflegedienst gerufen wird, schaffen es diese armen Schlucker im Langzeiturlaub nicht nur locker fünf Stunden im Flieger zu sitzen, sondern erreichen in den Urlaubsgebieten scheinbar mühelos abgelegene Orte, bei denen ich mir denke, welcher Hubschrauber hat die denn hier abgeworfen? Es sind übrigens dieselben armen, alten Herrschaften, die früher mit Krückstock oder Rollstuhl einen Meter des ohnehin schon schmalen Bürgersteigs in Anspruch nahmen und dank der Erfindung der Nothern-Walking-Stöcke nun mindestens zwei Meter des heiß umkämpften Gehwegs für sich beanspruchen, ohne dass sich an ihrem Schneckentempo, geschweige denn an der Breite des Bürgersteigs, etwas geändert hätte. Was Jüngere und Schnellere zu lebensgefährlichen Überholmanövern nötigt.
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Ich persönlich bin zu 100 % davon überzeugt, dass gut 2/3 aller Beamten in ein normales Angestelltenverhältnis oder in die Selbständigkeit, sprich Privatisierung, überführt werden können. Und? Niemand würde es bemerken! Nach dem Grundgesetz sind wir doch angeblich alle gleich? Warum sind dann die Rentenbeitragsverweigerer deutlich gleicher, sprich privilegierter? Ich kenne keinen anderen Berufsstand, der so umfassende, im Grundgesetz verankerte Sonderrechte und Bestandsgarantien besitzt! Die Unkündbarkeit der Schnarchbrigaden ist nur eine davon. Beamte verfügen über zahlreiche Privilegien, wie beispielsweise die Anrechnung von Wehr- oder Zivildienst und eines zweijährigen Hochschulstudiums auf die Dienstzeit. Und das mit einer im Durchschnitt doppelt so hohen Pension gegenüber einem gleich lang beschäftigten Arbeiter oder Angestellten. Eine Mindestpension von über 1.400 € bei einer Mindestdienstzeit von schlappen fünf Jahren. Hinzu kommen noch der Ehegattenzuschlag, satte Kinderzuschläge, Steuervorteile und so weiter und so fort. Warum nicht gleich Beamte in den Adelsstand erheben?
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Dazu ein kleines Beispiel von mir: Herr Drückberg, seit 45 Jahren Beamter beim Finanzamt, hat in den letzten beiden Jahren vor seiner Pensionierung Anwesenheitsgeld in Höhe von 3.000 €/brutto monatlich erhalten. Seine monatliche Pension beträgt ohne Berücksichtigung aller Abzüge und Versorgungsfreibeträge 2.150 €. Frau Schmidt, gelernte Bäckereifachverkäuferin und ehemals alleinerziehende Mutter von drei Kindern, hat mit Unterbrechungen noch keine 33 Jahre Grundrentenzeiten angesammelt und erhält nach Abzug von Rente und Unterkunftskosten vom lieben Sozialamt ein üppiges monatliches Taschengeld von rund 450 €. Um Herrn Drückberg das Wasser reichen zu können, müsste sie lange stricken oder rund 27.000 Mehrwegbierflaschen oder alternativ 8.600 Einwegflaschen und -dosen sammeln. Pro Monat! Ihr Problem: Sie ist nicht die einzige Pfandgeldnomadin! So viel zur sozialen Gerechtigkeit. Diese verdammt hohen und in keiner Weise gerechtfertigten Pensionen und Privilegien sind für mich de facto ein gigantischer legaler Rentenbetrug, für den unter anderem auch Millionen von Geringverdienern Tag für Tag hart schuften müssen. Anmerkung meinerseits: „Drum lebt recht gut und lebt recht flott, er kommt recht bald – der Staatsbankrott.“
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Im Falle einer grundsätzlichen Verweigerung der Kursteilnahme könnte eine erste Leistungskürzung erfolgen. Sollte man sich ‚gezwungenermaßen‘ für einen Weiterbildungskurs seiner Wahl entscheiden, der Kursleiter aber den Eindruck gewinnen, dass kein ernsthaftes Interesse an der Teilnahme besteht, könnte eine Meldung an die Ämter erfolgen und der Betroffene könnte sich noch 1 bis 2 Mal für einen anderen Kurs entscheiden. Sollten auch diese zum gleichen Ergebnis, der Erkenntnis der eigenen Lernunwilligkeit führen, hätten die Ämter nun einen berechtigten Grund, weitere Leistungen zu kürzen oder gar ganz einzustellen.
Für die Betroffenen wäre die Teilnahme an solchen Kursen jedoch mit enormen Vorteilen verbunden. Sie würden für einige Stunden in der Woche einen strukturierten Tagesablauf haben, der ihren Wochenrhythmus positiv verändern könnte. Zudem könnten sie neue soziale Kontakte knüpfen und durch die neu erworbene Qualifikation ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhöhen. Auch der Ehepartner würde sich sicher freuen, wenn der ehemalige Sesselfurzer und Chipfresser ein paar Stunden in der Woche sinnvoll beschäftigt ist. Und wer weiß, vielleicht entdeckt er oder sie durch die Kursteilnahme auch neue persönliche Herausforderungen? Nicht zu vernachlässigen ist die Möglichkeit, dass sich bundesweit Lerngemeinschaften bilden. Durch die Mischung von ‚freiwilligen‘ Teilnehmern an Bildungsangeboten und ‚Zwangsteilnehmern‘ könnte ich mir sogar einen Informationsaustausch vorstellen, der zu einem zukünftigen neuen Arbeitsplatz führt.
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– Fortsetzung folgt –
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