Tunten – Aufzucht und Pflege
Kapitel 10: Bordsteinschwalben und Hobbyhuren
Prostitution ist so alt wie die Menschheit – und auch männliche Lustknaben gibt es seit jeher. Augustinus wusste schon: Ohne Huren gerät alles durcheinander. Bei den Bordsteinschwalben des schwulen Gewerbes reicht das ‚Betriebskapital‘: Mund, Hände, Po. Im Gegensatz zu weiblichen Kolleginnen brauchen sie selten Zuhälter – aber die gesellschaftliche Ächtung haben sie trotzdem sicher, selbst innerhalb der angeblich liberalen Community.
Die Szene kennt zwei Hauptvarianten: den Stricher – jung, lichtscheu, oft als Hartgeldnutte, Lustknabe oder Puppenjunge verspottet – und die als ‚Escort‘ getarnte Edel-Variante. Der Begriff ‚Strich‘ verweist historisch auf Wien, wo Prostituierte nur außerhalb bestimmter Zonen verkehren durften – hinter einer imaginären Linie, oft an der Bordsteinkante. So entstand auch die ‚Bordsteinschwalbe‘.
Neben den gleichgeschlechtlichen Cowboys gibt es auch hetero- oder bisexuelle Anbieter, die betuchte Damen bedienen. Sie sind nicht zu verwechseln mit den fast ausgestorbenen Gigolos – Casanovas mit guten Manieren, die zwischen den Weltkriegen etwa im Berliner Adlon ältere Gönnerinnen mit Tanz, Charme und Dauerbeziehungen umgarnten.
Egal ob Stricher oder Callboy: Moralische Anklage ist fehl am Platz. Wo Nachfrage ist, gibt es auch Angebot – im homo- wie im heterosexuellen Bereich. Vielleicht ist es an der Zeit, die Schmuddelecke zu verlassen und die Realität nüchtern anzuerkennen: käufliche Liebe ist kein Randphänomen, sondern ein Teil menschlicher Kulturgeschichte.
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Den ersten Abschnitt dieses Kapitels widme ich den Strichern, die in der Regel extrem lichtscheu sind und überwiegend der gesellschaftlichen Ächtung unterliegen. Und dies selbst bei den angeblich so liberalen, schwulen Rosettenknechten. In der Hierarchie der Prostitution stehen sie zudem, rein gedanklich, in der untersten Schublade der Community. Weitere ‚Berufsbezeichnungen‘ dieser meist sehr jungen Männer sind Hartgeldnutte, Lustknabe, Strichjunge oder Puppenjunge. Der heute nicht mehr gebräuchliche Begriff des Puppenjungen findet sich im Verhörprotokoll des im vorigen Kapitel erwähnten deutschen Serienmörders Fritz Haarmann.
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Nun ist es nicht so, dass die Zielgruppe ausschließlich aus schwulen oder bisexuellen Klienten besteht, denn es gibt auch heterosexuelle männliche Prostituierte, die gegen Entgelt homosexuelle Handlungen vornehmen oder an sich vornehmen lassen. Dieser Kreis muss sich aber nicht unbedingt entkleiden, sondern hat sich überwiegend auf BDSM spezialisiert und bemüht sich, die sexuellen Wünsche seiner Kunden zu befriedigen. Ich persönlich vertrete die Auffassung, dass jeder von uns käuflich und alles nur eine Frage des Preises ist. Ein Paradebeispiel sind für mich karrieregeile Politiker und alle anderen Arschkriecher. Abgesehen vom erotischen und sexuellen Akt sehe ich da keinen großen Unterschied. Ist es nicht auch eine Form der Prostitution, wenn sich eine Dame von Welt herausputzt, um ihrem heimlichen Galan bei einem sündhaft teuren Dinner mit anschließendem Theaterbesuch ins Ohr zu säuseln, wie gerne sie auch so einen schicken Hermelinmantel hätte, wie ihn Frau Oberstudienrätin Dr. Nimmersatt trägt? Und erst nach der Zusage im Hotelzimmer brav die Beine breit macht?
Oder der schleimige Angestellte mit seinem unwiderstehlichen Sonntagsgrinsen, der zum Chef marschiert und um eine kleine Gehaltserhöhung bettelt? Ist es nicht auch eine Form der Prostitution, wenn der Herr Würdenträger der alten Dame ihr Vermögen für angeblich gemeinnützige Zwecke abschwätzt? Wenn sich der Bürgermeister vom Bauunternehmer für den Fall der Auftragsvergabe einen 14-tägigen Urlaub in der Karibik versprechen lässt? Prostitution ist für mich grundsätzlich alles, was dem Zweck dient, einen Vorteil in Form von Sach- oder Geldleistungen zu erlangen. So konditioniert wissen schon die Kleinsten: Wenn sie besonders folg- und gehorsam sind, gibt es auch besondere Zuwendungen.
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Die folgenden Aussagen stammen aus der Website von Looks: Jungs, die anschaffen, finden bei Looks eine offene und vorurteilsfreie Atmosphäre, in der sie Beratung und Hilfe bei der Lösung ihrer Probleme nachfragen können. Unterstützende Angebote können sowohl auf eine Verbesserung der Lebenssituation in der Prostitution und die Sicherung der Grundbedürfnisse als auch auf die Entwicklung alternativer Lebensperspektiven abzielen. Durch diese offene Grundhaltung erfahren viele Jungs zum ersten Mal eine vorurteilsfreie Anerkennung ihrer Person. So entsteht eine vertrauensvolle Beziehung zu den Jungs, als Voraussetzung für weitere Hilfen. Durch das gemeinsame Herausarbeiten der individuellen Stärken und Fähigkeiten mit den Sozialarbeiter/innen werden Lösungsstrategien entwickelt und umgesetzt. Looks hilft unbürokratisch, anonym, individuell und ohne Verpflichtung für den Hilfesuchenden.
Looks und einige andere Organisationen bieten neben vertraulichen und persönlichen Gesprächen auch Internet, Verpflegung, Übernachtungsmöglichkeiten, die Benutzung von Waschmaschinen, kostenlose Kondome und vieles mehr an. Bei sexuell übertragbaren Krankheiten steht den Prostituierten in der Regel ein Amtsarzt oder eine Amtsärztin bei den örtlichen Gesundheitsämtern kostenlos zur Verfügung. Bei allen anderen Erkrankungen haben die Strichjungs in der Regel ein großes Problem, da sie sehr häufig nicht krankenversichert sind. Hier versuchen entweder die zuvor genannten Hilfsorganisationen, einen Arzt zu vermitteln, der die Behandlung gratis durchführt, oder der Prostituierte ist gezwungen, sich entweder von einem Bekannten oder einem seiner regelmäßigen Freier eine Versichertenkarte zu leihen, um sich die notwendige medizinische Versorgung zu sichern. Dies ist jedoch strafbar.
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In Ausnahmesituationen können aber auch unklare Absprachen zwischen den Beteiligten zu Gewalt vor, während oder nach dem Geschlechtsakt führen. So geschehen sicherlich bei den beiden Prominentenmorden durch Stricher an dem >bayerischen Volksschauspieler< Walter Sedlmayr >1926 bis 1990< und dem bizarren Münchner Modedesigner Rudolph Mooshammer >1940 bis 2005<. Wenn bei dem Mooshammer-Mord in der Presse zu lesen war, dass sein Mörder ‚lediglich‘ 2.000 Euro für eine Voyeur-Nummer von Mosi erhalten sollte, so gehört das für mich ins Reich der Utopie. Diese Summe erhält nicht einmal der beste deutsche und hemmungsloseste Callboy für eine zirkusreife Glanzbettnummer. Mooshammer dürfte die üblichen Preise im Münchner Strichermilieu sicherlich bestens gekannt haben und wusste, dass er für diesen weit überzogenen Betrag locker 20 und mehr Stricher auf einmal hätte einladen, bewirten und befummeln können.
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Nicht von der Hand zu weisen ist hingegen die Tatsache, dass der Stricher aufgrund seiner sozialen Herkunft häufig über ein hohes Maß an krimineller Energie verfügt. Wer sich ins Strichermilieu begibt, darf durchaus damit rechnen, früher oder später auf den Klau-Stricher zu treffen. Dabei handelt es sich um junge Männer, denen es nicht darum geht, sich dem Freier wegen Sex oder Geld anzubiedern, sondern die nach Gelegenheiten Ausschau halten und versuchen, ihre ahnungslosen Opfer zu bestehlen. In der Kölner Altstadt dürfte ihre Anzahl höher sein als die der normal anschaffenden Jungs. Dem Klau-Stricher ist es dabei egal, ob er seine Tat in der Gaststätte oder in der Wohnung des Freiers begeht. Empfehlenswert bleibt dem Freier hier, nur so viel Geld bei sich zu haben, wie er bereit ist, an diesem Tag/Abend auszugeben, auf das Tragen seiner Statussymbole zu verzichten und seinem zweifelhaften Vergnügen möglichst nur außerhalb seiner eigenen Behausung nachzugehen. Grundsätzlich gilt auch hier: Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um.
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Während der Ausübung ihrer Tätigkeit halten sich männliche Prostituierte häufig in der Nähe von Bahnhöfen und Flughäfen, in Großstädten, auf den wenigen einschlägigen Straßenstrichen oder in dafür bekannten Stricherlokalen auf. Aber auch öffentliche Schwimmbäder, die Umgebung öffentlicher Toiletten, einschlägige Parks oder Kaufhäuser mit einer Playstation sind Orte, an denen sie darauf hoffen können, von älteren Herrschaften auf ihre Dienste angesprochen zu werden. Die Szene-Gastwirte, Stricherkollegen und Freier ersetzen dem Stricher dann häufig die Familie. Dies allerdings mit klaren Grenzen. So kann ein Stricher nicht mit der Unterstützung des Wirtes rechnen, wenn er kriminelle Handlungen begangen hat. Häufig ist der Gastwirt nämlich der kompetente Ansprechpartner für die Freier, wenn es um die Frage der Zuverlässigkeit der Jungen geht. An dieser Stelle darf nicht vergessen werden, dass es Freier gibt, die nicht nur den Sex suchen, sondern die Jungen brauchen, um ihrer eigenen Einsamkeit zu entfliehen. Womit sich dann zwei Menschen treffen, die ihren Faden des Lebens verloren haben.
Seien es die Jungs oder die Klienten: Wer sich einmal in die Szene ‚verlaufen‘ hat, entwickelt oft so etwas wie eine Sucht. Leider kommt es hin und wieder vor, dass der Wirt und/oder seine Mitarbeiter in ihrer Rolle als ‚Sozialarbeiter nicht nur ihre Macht, sondern auch die Stricher sexuell missbrauchen. Für einen Stricher ist es fast aussichtslos, sich aus eigener Kraft aus diesem Teufelskreis zu befreien. Dies würde ein hohes Maß an Zuverlässigkeit im Umgang mit allen beteiligten Institutionen, viel Ehrgeiz und einen hohen persönlichen Krafteinsatz erfordern, was den meisten Jungen leider nicht gegeben ist. So scheiden die meisten Stricher schließlich wegen des Erreichens der Altersgrenze von maximal 30 Jahren von selbst aus dem Gewerbe aus und landen dann häufig als gescheiterte Existenzen in den Armen der Solidargemeinschaft. Falls sie sich nicht schon vorher für ein sozialverträgliches Ableben entschieden haben.
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Die folgenden Schilderungen dienen als exemplarisches Beispiel für die zweifelhafte und schicksalhafte ‚Karriere‘ eines Sexarbeiters. In Matthias’ Fall begann sie mit der Bekanntschaft eines anderen Minderjährigen, der bereits in einem Mönchengladbacher Porno-Etablissement mit Prostituierten beiderlei Geschlechts anschaffte. Dass sich der Betreiber damit gleich mehrfach strafbar gemacht hatte, schien diesen nicht sonderlich zu interessieren. Auch nicht, dass dort ungeschützter Geschlechtsverkehr praktiziert wurde. Matthias’ monatliches Nettoeinkommen betrug lediglich 500 bis 700 Euro, da ihm der Rest für Kost und Logis abgezogen wurde. Es war die Zeit, in der er zum ersten Mal in seinem Leben mit leichten Drogen in Berührung kam. Aus einem späteren Telefonat zwischen seiner Schwester und mir erfuhr ich, dass er im Alter von 15 Jahren im Drogenrausch mit einer Axt auf seinen Vater losgegangen sein soll. Nach diesem Vorfall, bei dem der Vater glücklicherweise unverletzt blieb, brachen seine Eltern und Geschwister, von denen ein Bruder bereits Knasterfahrung hatte, mit ihm.
Für Matthias war dies der Beginn einer zerstörerischen Abwärtsspirale. Weil einer seiner Stammfreier ihm berichtet hatte, dass er als eigenständiger Callboy in Düsseldorf viel mehr Geld mit seinem Körper verdienen könne, zog es ihn knapp ein Jahr später dorthin. Da er über keine eigene Wohnung verfügte, war er gezwungen, als Stricher zu arbeiten. Unter anderem schlief er anfangs notgedrungen und immer öfter bei einem langweiligen, nach Schweiß, Nikotin und Alko hol stinkenden, fettleibigen, asozialen 60-Jährigen. Dafür hatte er mit diesem in dessen schmuddeliger, kleiner Behausung als Gegenleistung noch langweiligeren Sex. Später wechselten seine Aufenthaltsorte und Schlafplätze mit den wechselnden Freiern oder den verschiedenen privaten Fickverhältnissen. Dagegen ließ der häufigere Wechsel seiner Unterwäsche und Straßenkleidung oft zu wünschen übrig.
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Nach Ablauf dieser Woche stellte sich jedoch heraus, dass seinem anonymen Kunden offensichtlich das Geld ausgegangen und spurlos verschwunden war. Das hatte zur Folge, dass alle anwesenden Zimmerbewohner vom Hotelier des altehrwürdigen Hauses polizeilich vernommen wurden. Der Eigentümer war jedoch nicht bereit, den Jungs, die gar nicht die Mieter des Zimmers waren, ihre Sachen auszuhändigen, solange die offene Hotelrechnung nicht vollständig beglichen war. So verlor Matthias sein gesamtes Hab und Gut und stand nach dieser fragwürdig exzessiven Partywoche wieder völlig mittellos auf der Straße. In dieser ausweglos erscheinenden Situation dachte er in kölscher Lebensart: „Wat fot is, is fot.“ In einem anderen Fall hielt sich Mattes wieder einmal vor einer Stricherkneipe in der Kölner Altstadt auf, als er von einem etwa 50-jährigen, korpulenten, grauhaarigen Mann mit englischem Akzent angesprochen wurde. Dieser bot ihm 100 Euro, wenn er ihn auf sein Zimmer in einem nahegelegenen Hotel begleiten würde. Auf dem Weg dorthin fragte er Mattes, ob er auch auf sadomasochistische Spielchen stehen würde. Mattes bejahte. Allerdings unter der Einschränkung, dass es sich um Praktiken handeln müsse, die keine körperlichen und mentalen Spuren hinterließen.
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Neben seinen eigenen Erlebnissen und Erfahrungen erzählte mir Mattes auch weitere unglaubliche Geschichten von seinen ‚Kollegen‘. So berichtete er mir etwa von einem 17-jährigen Stricher, dem ein völlig verantwortungsloser Freier 30 Euro dafür bot, sein Sperma zu schlucken. In einem anderen Fall wollte ein Freier sein Sperma für 50 Euro in den Hintern eines Strichers spritzen. Als der aus Rumänien stammende Stricher einwilligte, versuchte der über 60 Jahre alte Freier, den Preis noch auf 30 Euro zu drücken. Bei allem Verständnis für die sexuellen Bedürfnisse von Freiern, die unkomplizierten, schnellen Sex, meist ohne Konversation, mit Minderjährigen suchen: Bei solchen Praktiken hört mein Verständnis auf! Ich erwarte sicherlich nicht, dass 12- bis 18-jährige Jungs sich der gesundheitlichen Risiken und Folgen voll bewusst sind. Für erwachsene Männer, die diese Jungs zu riskanten Sexualpraktiken animieren, muss das Strafrecht jedoch eindeutig verschärft werden.
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Der zweite Teil meiner unwissenschaftlichen Abhandlung über käufliche ‚Liebe‘ ist den Callboys gewidmet, die auch Escorts, Begleiter oder Gesellschafter genannt werden. Ihr ‚Geschäftsmodell‘ mit überwiegend hetero- und bisexueller, seltener schwuler Klientel ist ein völlig anderes als das der Straßenprostituierten. Diese Kundschaft bevorzugt seriös arbeitende Phallusprofis, die gebotene Sicherheit, das angenehme Ambiente, eine anregende Konversation und den Komfort, nach getaner Arbeit das Bad des Gastgebers benutzen zu dürfen. Besonders wichtig ist diesem Kundenkreis die gebotene Diskretion. Einen Großteil der vereinbarten Zeit verbringen diese Gäste jedoch damit, über ihren Job, ihre Frau, ihre Kinder, ihre Schwiegermutter, ihren Hund oder ihren Papagei zu sprechen. Darüber hinaus sind sie froh, einen Gesprächspartner auf Augenhöhe gefunden zu haben, dem sie ihre intimsten sexuellen Fantasien anvertrauen können, die dieser gegen entsprechende Honorierung in der Regel auch erfüllt.
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Wie bereits kurz erwähnt, nehmen heterosexuelle Männer gerne die Dienste von Strichern oder Callboys in Anspruch, um ihr moralisches Gewissen zu beruhigen. Sie sehen im bar bezahlten Sex keine Untreue gegenüber ihrer Partnerin. So verdrängen sie durch diese Form der gleichgeschlechtlichen Sexualpraktiken die Selbsterkenntnis, dass sie bisexuell oder sogar schwul sind. In anderen Fällen nutzen Hetero-Männer Stricher oder Callboys, um herauszufinden, ob ihre sexuelle Orientierung tatsächlich hetero ist. Die wohl anspruchsvollste, arbeitsintensivste Klientel für beide Gruppen sexueller Dienstleister dürften schwule ‚Geiz-ist-geil-Freier‘ sein. Und das aus überwiegend folgenden Gründen: Erstens, weil er der Meinung ist, dass er, wenn er schon für Sex bezahlt, auch das ‚volle Programm‘ erwartet. Zweitens lässt er sich von den ‚Ackergäulen‘ keinen Orgasmus vortäuschen. Drittens, verlangt er, dass die vereinbarte Stoßzeit korrekt eingehalten wird. Viertens versuchen diese Proleten, den vorher ausgehandelten Festpreis zu drücken, mit dem Argument, sie bekämen Sex schließlich in einschlägigen Saunen, Pornokinos, auf öffentlichen Toiletten oder in Marokko fast umsonst. Da stellt sich mir die Frage: Warum geht oder fliegt er nicht gleich dorthin?
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Bei vielen Escorts reicht der monatliche Zuverdienst jedoch gerade einmal für eine neue Designerjeans. Ferner ist Callboy kein Job, den man ewig machen kann, und erst recht kein Vollzeitjob. Ich kenne Professionelle, die sich ab und zu eine Auszeit gönnen, um wieder Kraft zu tanken, da sie für manche Gäste eine Art psychosoziale Notfallversorgung übernehmen. Zudem steigen viele wirklich gute Entspannungsherren aus, wenn sich in ihrem Privatleben gravierende Veränderungen ergeben, wie zum Beispiel ein lang ersehnter Lover oder eine Freundin. Aus meinem persönlichen Umfeld kenne ich Callboys, die ihr Hobby zum Beruf gemacht haben und es einfach geil finden, sich für Geld flachlegen zu lassen und dabei die Kunden nach allen Regeln der erotisch-sexuellen Kunst zu verwöhnen. Ich wage aber zu behaupten, dass dies die Ausnahme ist und höchstens auf drei bis fünf Prozent der professionellen Sexarbeiter zutrifft. Überdies hängt es weitgehend vom jeweiligen Gast ab, ob die Arbeit Ekel auslöst oder das ist, was sie sein soll: Fairness, Spaß, Entspannung und gute Unterhaltung auf Zeit.
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In den meisten Tummelplätzen der Lüste trifft der zahlungswillige Gast in der Regel gleich auf mehrere Boys, die sich natürlich alle von ihrer Schokoladenseite zeigen, da sie den Zuschlag für die anstehende Matratzenakrobatik erhalten möchten. Selbst bei ansprechender Optik hat der Gast beim Opfer seiner Begierde keine Garantie, dass sich beim Entkleiden keine Reste dieser ‚Schokolade‘ in der Unterhose festgesetzt haben. Umgekehrt natürlich genauso. Um an den nun so greifbar nahen ‚Superverdienst‘ von 50 Euro/Stunde zu gelangen, versprechen die Fraggles dem Gast jede gewünschte oder geforderte sexuelle Handlung, um diese dann im angrenzenden Spielzimmer rigoros und konsequent zu verweigern. Eine Geld-zurück-Garantie kann der Gast nur in den seltensten Fällen erwarten. Zudem spüren die Gäste in diesen Clubs häufig den enormen Konkurrenzdruck unter den Jungs sowie den teilweise rauen Umgangston zwischen den Boys und dem Betreiber.
Ein routinierter Puffgänger berichtete mir, dass er, als er den polnischen Jungen, dessen Dienstleistungen er in Anspruch zu nehmen gedachte, im Zimmer nach seinem Namen fragte, als Antwort erhielt: „100 Mark!“ Weltweit wusste kaum einer der von mir interviewter Bordellbesucher Gutes über die Clubs und die dort verkehrenden Gesellschafter zu berichten. Als Gast sollte man sich vorher darüber im Klaren sein, welche Anforderungen man an diese Freudenjungen stellt und wie viel einem dieses Vergnügen wert ist. Mehr Geld sollte man dann auch nicht dabei haben, damit es nicht unnötig verlustig geht. Ganz sinnvoll kann es sein, kurz vor dem anstehenden Clubbesuch noch seinen Lurch zu würgen, denn 100 Euro sind doch sehr viel Geld, wenn man sonst schon nach zwei Minuten vor dem nicht immer omnipotenten und professionellen Sexdienstleister völlig notgeil ejakuliert.
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Grundsätzlich liegen die Preise eines seriösen Callboys erwartungsgemäß deutlich höher als die eines Strichers. Im Schnitt kostet dieses Vergnügen Escort-Kunden zwischen 80 und 150 Euro pro Stunde. Extras kosten natürlich extra, doch der hoffentlich potente Callboy wird dem Kunden nicht nur den Druck in der Leistengegend nehmen, sondern ihm vorher auch einen garantierten Festpreis unterbreiten. Ich kenne kaum einen Sexnomaden, der nicht bereit ist, über den verlangten Preis zu verhandeln. So kann es sich für den Gast durchaus lohnen, kurz über einen kleinen Rabatt zu verhandeln. Finanzielle Nachforderungen sind seitens der Callboys eher unüblich, schließlich ist es in ihrem Interesse, sich mit der Zeit ein paar treue Stammgäste aufzubauen. Im Gegensatz zum Einzelhandel, der nach dem Prinzip ‚erst die Ware, dann das Geld‘ verfährt, ist es beim Callboy umgekehrt. In der Regel lehnen Erotikfachverkäufer Schecks und Kreditkarten ab, denn hier gilt das Motto: Nur Bares ist Wahres. Wie bei den Strichern beschrieben, sollten sich sowohl Gast als auch Gastgeber an getroffene Vereinbarungen halten.
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Nur für den Fall, dass du dich die ganze Zeit fragst, woher ich mein fundiertes Wissen über die Vielfalt der käuflichen Liebesdiener habe: Von Ende der 90er bis 2005 betrieb ich zunächst in Essen und später in Köln äußerst erfolgreich eine nach kaufmännischen Gesichtspunkten geführte Boysvermittlungsagentur. In Spitzenzeiten verdienten bis zu 16 Gesellschafter nicht nur meinen Respekt, sondern auch eine Menge Kohle. Bis es zu einem privaten Beziehungsdesaster kam. Mein Wissen über das Lebensumfeld von Strichern verdanke ich der geschilderten Begegnung mit Matthias. Wenige Monate nach unserem ersten Treffen Anfang der 2010er Jahre fühlte ich mich berufen, den Jungen von seinem von Sex-, Drogen- und Alkoholexzessen sowie Lügen und Unzuverlässigkeiten geprägten Weg abzubringen. Mit anderen Worten: Ich war mehr als bemüht, eine weitere verkorkste Seele auf den Pfad der Tugend zurückzuführen. Nach fast dreieinhalb Jahren voller Abstürze und Höhenpflüge, in denen ich oft einem Nervenzusammenbruch verdammt nahe war, musste ich schließlich einsehen, dass diese verlorene Seele nicht mehr zu retten ist. Womit ich das Thema über Bordsteinschwalben und Hobbyhuren nun beende.
– Ende –
Schwulenwitz 10:
Ein Schwuler kommt wegen einer Prostatauntersuchung zum Urologen. Dieser bittet ihn, sich unten herum freizumachen und sich auf den Gynäkologenstuhl zu setzen. Während der Untersuchung sagt der Urologe zu dem Schwulen: „Sie müssen aufhören zu onanieren!“ „Warum das denn?“, fragt ihn der Schwule. Darauf der Urologe: „Weil ich Sie sonst nicht untersuchen kann!“
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