Tunten – Aufzucht und Pflege
Kapitel 6: Knapp daneben ist auch vorbei
Abgesehen von den alten Griechen, Ägyptern, Kelten, Germanen und Römern, bei denen sexuelle Beziehungen zwischen Männern und/oder Knaben gesellschaftlich akzeptiert waren, wurde die >widernatürliche Unzucht< von den Kirchen im Mittelalter lebensgefährlich. Ab dem Jahre des Herrn 1277, so belegen es die Kirchenbücher, fanden viele homosexuelle Delinquenten ihr unglückliches Ende auf dem Scheiterhaufen. Die gesellschaftliche Akzeptanz von Schwulen und Lesben begann in Deutschland erst mit den immer populärer werdenden Christopher Street Days >CSD< Anfang der 90er Jahre. Der erste CSD in Deutschland fand Ende Juni 1979 in West-Berlin, anlässlich des zehnten Jahrestages der Stonewall-Unruhen in New York, statt. An ihm nahmen gerade einmal rund 450 Schwule, Lesben und deren Freunde teil. Aus dem Megafon ertönte auf dem Kuhdamm die Forderung: „Schwule, lasst das Gaffen sein, kommt herbei und reiht euch ein! – Lesben, erhebt euch, und die Welt erlebt euch!“
Zuvor hatte es bereits 1972 eine Schwulendemo im konservativ-katholisch geprägten Münster gegeben, die allerdings noch nicht den Namen CSD trug. Vor allem die Kölner CSDs entwickelten sich seit 1979 von anfänglichen politischen Demonstrationen unter dem Namen ‚Gay Freedom Day‘ zu einem der größten, buntesten und schrillsten Straßenfeste Europas. Die Kölner ‚Selbstdarstellungs-Zuchtparade‘ hatte in manchen Jahren fast so viele Teilnehmer und Zuschauer wie der Rosenmontagszug.
Viele der teilnehmenden Schließmuskelakrobaten, die bisher bei diesem Großereignis ihre ganze Artenvielfalt einem breiten Publikum präsentieren konnten, vergessen dabei, dass sie diese hohen Besucherzahlen nur einer mittlerweile toleranteren, liberaleren, bi- und heterosexuellen Gesellschaft verdanken. Seit ein paar Jahren heißt diese Frischfleisch-, Dörrfleisch- und Faltenschau ‚ColognePride‘, wobei keiner mehr so genau weiß, worauf man eigentlich stolz ist. Ob es die Eltern im Beisein ihres quengelnden Nachwuchses wollen oder nicht: Ein paar hirnamputierte Hohlbratzen präsentieren ihnen stolz textilentfremdete nackte Ärsche, mehr oder weniger ansehnliche Pimporellos und augenkrebserregende lederumwickelte lesbische Milchschläuche. Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Auch Toleranz hat ihre Grenzen!
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Den mitunter sexuellen Höhepunkt bildet ein dreitägiges Straßenfest, dessen Höhepunkt die sonntägliche Zuchtparade ist, an der auch der letzte überlebende Hinterndupfinger Ansaugprofi teilnimmt. Dieser hat weder Kosten noch Mühen gescheut, um bei diesem internationalen Großereignis dabei zu sein. Danach hat er wieder ein ganzes Jahr Zeit, um an seinem nächsten schrillen, Aufmerksamkeit erregenden, auffälligen und trendigen Paradekostüm zu schneidern. Während in der Öffentlichkeit stolz und selbstbewusst schwul-lesbische Zusammengehörigkeit demonstriert wird, sieht es hinter der bunten, kreischend fröhlichen Fassade leider ganz anders aus.
Im Verlauf der Jahrzehnte hat es die allgemeine Abnutzungserscheinung geschafft, die so oft in Worte gefasste und immer wieder eingeforderte Toleranz in den eigenen Reihen mit Füßen zu treten. Schier unglaublich ist inzwischen die Fülle an Intoleranz und Ausgrenzung innerhalb der schwulen Solidargemeinschaft, die in meinen Augen diesen Ausdruck schon lange nicht mehr verdient, falls sie diese Begrifflichkeit jemals verdient hat. Hier könnten sich in meinen Augen nicht nur die Schwulen, sondern auch die sie umgebende Hetero- und Bisexuellenwelt wieder mehr darauf besinnen, andere Menschen zu achten und, wie in der Tierwelt, Lebensräume und -träume zu schützen.
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Dem unter den Nazis noch verschärften ‚Homosexuellen-Paragraphen‘ 175 fielen in den Konzentrationslagern über 15.000 schwule Männer als ‚Staatsfeinde‘ zum Opfer. Für über 7.000 unserer Brüder im Geiste bedeutete dies nach unsäglichen Qualen das traurige Ende. Es waren Jahre, in denen schon freundschaftliche Berührungen zwischen Männern zu Haftstrafen führen konnten. Zu den unmenschlichen Haftbedingungen gehörten nicht selten Gewaltexzesse, Vergewaltigungen, vor allem durch die sogenannten ‚Capos‘, auch ‚Funktionshäftlinge‘ genannt, sowie physische und psychische Misshandlungen. Zum Martyrium vieler Träger des Rosa Winkel gehörten auch tagelanges Einsperren in Dunkelhaft oder die Unterbringung in einem Raum, in dem sich die Opfer wegen der Enge weder hinsetzen noch hinlegen konnten.
Diese Foltermethode konnte durch das stunden- oder tagelange Stehen zum Tod führen. Hinzu kam der Gestank von Eiter, Schweiß, Blut und Exkrementen. Die Täter >und noch Jahrzehnte später ganz ‚normale‘ Bürger< machten auch keinen Unterschied zwischen Homosexuellen und Pädophilen und die Opfer standen in der Gefängnishierarchie ganz unten. Der letzte überlebende Träger des Rosa Winkel war Rudolf Brazda, der als Schwuler von 1941 bis 1945 im Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar inhaftiert war. Er starb 2011 hochbetagt im Alter von 98 Jahren. Mit 95 Jahren war er 2008 noch Ehrengast bei der Gedenkfeier für die homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus an der Seite des damaligen Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit, der sich offen zu seiner Homosexualität bekannte. 2001 wurde Wowereit durch sein öffentliches Coming-out mit dem Satz „Ich bin schwul – und das ist gut so“ international bekannt.
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Was viele nicht wissen: Vor Hitlers Machtergreifung im Januar 1933 riefen SA-Männer auf den Straßen ‚Geil Röhm‘ und ‚Schwul Heil‘ in Anspielung auf ihren männerliebenden Anführer der Sturmabteilung. Hitler schützte seinen Duzfreund, solange wie dieser ihm nützlich war. Als die äußerst brutal vorgehende Hackfresse Ernst Schwulius Röhm >1887 bis 1934< jedoch Reformen forderte, ließ er ihn zusammen mit vielen anderen ehemaligen Parteigenossen in der ‚Nacht der langen Messer‘ vom 30. Juni auf den 1. Juli 1934 ermorden.
Hintergrund waren Konflikte um die nationalsozialistische Wirtschaftspolitik, die Zukunft der Reichswehr, aber auch um den Umgang mit dem Thema Homosexualität. SS- und Gestapo-Chef Heinrich Himmler, der maßgeblich für die Ausschaltung Röhms verantwortlich war, sah in der Homosexualität eine Bedrohung des Staates. Der homophobe Himmler war überzeugt, dass Homosexuelle die staatlichen Strukturen unterwandern wollten, was zur ‚Zerstörung des Staates‘ führe. Letztlich waren es aber die heterosexuellen Machthaber selbst, die Deutschland bis zum Mai 1945 in den Abgrund führten.
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Lesben wurden zwar auch denunziert, verfolgt und verhaftet >trugen aber einen weniger schicken schwarzen Winkel<, doch blieb ihnen das bis zu 20 Minuten dauernde Erhängen mittels Geigensaiten erspart, was ihnen nach der Entlassung oder Befreiung ein Liebesleben mit weiteren homoerotischen Explosionen ermöglichte. Geradezu paradox erscheint in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass Schwule als ehemalige Opfer von Faschismus und Nationalsozialismus selbst eine aktive Rolle in der heutigen Neonaziszene spielen. So war der 1991 mit nur 36 Jahren an AIDS verstorbene Neonazi-Anführer Michael Kühnen fest davon überzeugt, dass schwule Männer die besseren Kämpfer seien. Bei genauerem Hinsehen finde ich rassistische Vorurteile, Minderheitenfeindlichkeit und Intoleranz sowohl bei Vertretern von Teilen der schwulen Medien als auch innerhalb einiger der wenigen schwulen Vereine hier in Deutschland. So drehte der be-kannte schwule Filmemacher Rosa von Praunheim 2005 den kontrovers diskutierten Film ‚Männer, Helden und schwule Nazis‘. Genug der braunen Scheiße!
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Doch wer glaubt, unsere Altvorderen hätten ihre sexuellen Triebe heruntergeschluckt, der irrt. Selbst in der Nazizeit gab es Treffpunkte für ‚Arschficker‘, so der damalige beleidigende Ausdruck, wie öffentliche Toiletten, in der Schwulenszene ‚Klappen‘ genannt, mit Lochkabinen, Parks und sogar die eine oder andere von Homo- und Bisexuellen frequentierte Schwuchtel-Bar. Wie viele Nazigrößen an diesen Orten ihr Sexualleben heimlich auslebten, ist nicht überliefert. Die beiden von mir zitierten Interviewpartner berichteten mir übereinstimmend, dass sie als Kinder bzw. Jugendliche Opfer pädokrimineller Machenschaften wurden. Als sehr junge, homosexuell veranlagte Nachkriegskinder waren sie nicht über die sexuellen Freuden des Lebens aufgeklärt worden. So wurden sie häufig Opfer von Pädophilen, die durchaus auch aus Kreisen der sogenannten bürgerlichen Gesellschaft stammten und hier meist Opfer von Mitgliedern der eigenen Familie wurden.
Unter den sexuell entgleisten Triebtätern befanden sich nicht selten Leiter von Knabenchören oder unsere lieben Pfaffen als Abgesandte des altehrwürdigen Vatikans. Es ist nicht unbekannt, dass viele Nachkriegskinder in Kinderheimen und Internaten nicht nur sexuellen Übergriffen, sondern auch schweren Misshandlungen, Schlägen, Demütigungen und schwerer körperlicher Arbeit ausgesetzt waren. Mit dem Thema des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen durch Kleriker des römischen Kackstuhls bin ich als Kind zwischen 1957 und 1962 selbst missbraucht und mit der ‚unaussprechlichen, stummen Sünde‘ befleckt worden. Dass ich in einem der folgenden Kapitel auf den Bereich der Pädophilie eingehen werde, dürfte so sicher sein wie das Amen und das Gähnen in der Kirche.
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Eines der ältesten Schwulenlokale befand sich übrigens in Berlin, das ‚Paulchen‘ für unsere jagenden und sammelnden schwulen Vorfahren, das schon vor der Machtübernahme der NSDAP 1933 existierte. In der kurzen Zeit der ‚Goldenen Zwanziger‘ war das legendäre ‚Eldorado‘ in Berlin-Schöneberg der Treffpunkt der schwulen Hüpfdohlen und der Travestieszene. Insgesamt waren die Betreiber dieser Lokale damals darauf bedacht, dass sich die Gäste situiert benahmen, da man wenig Lust hatte, sich mit den Ordnungshütern auseinanderzusetzen.
Gegenseitige Ausgrenzungen zwischen jüngeren und reiferen männlichen und weiblichen Gästen gab es so gut wie gar nicht, und die Besuche dienten in erster Linie der Pflege gleichgeschlechtlicher sozialer Kontakte, der angenehmen Unterhaltung und dem Verzehr kleiner Speisen und Getränke. Die Erinnerung an Verfolgung und Lebensbedrohung in der Zeit des Nationalsozialismus schweißten diese Herren zusammen. In ihren Stammkneipen trafen sie sich, frei von DM-hungrigen männlichen Nutten und braungebrannten Bodybuildern, und schätzten die Wirte wegen ihrer Diskretion und selbstverständlichen Wahrung der Anonymität.
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Schon kurz nach dem Krieg entstanden in Großstädten wie Berlin, Hamburg oder Köln die ersten >weiberbefreiten< Lokale. Eines davon war das ‚Em steine Kännche‘ im Perlenpfuhl, mitten im Zentrum von Köln. Der Einlass wurde unseren Vätern und Großvätern jedoch erst gewährt, nachdem sie sich einer gründlichen und skeptischen Gesichtskontrolle unterzogen hatten. Häufig, um von der Öffentlichkeit nicht beim Betreten dieser Lokalitäten gesehen zu werden, nutzte man nicht nur die oftmals vorhandenen Hintertüren, sondern bestieg auch schon mal durch ein Seitenfenster das Lokal. Im 1951 eröffneten ‚Le Caroussel‘ in der Hühnergasse in der Kölner Altstadt soll es eine Garderobenfrau mit dem Kosenamen ‚Madame Marie‘ gegeben haben, die als selbsternannte Sittenwächterin penibel darauf achtete, wer sich mit wem und wie lange auf der Toilette aufhielt. Kult war auch der Gastronom Helmut K. vom ‚Amts-Schimmel‘ in der Stephanstraße, in einschlägigen Kreisen ‚Leder-Oma‘ genannt, der als eines der ersten AIDS-Opfer Kölns gilt. Bereits 1968 gründete er den ersten schwulen Lederclub Deutschlands, den ‚MSC Köln‘, der 1972 fast 1.000 Mitglieder zählte.
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Als ‚Quereinsteiger‘, noch grün hinter den Ohren und mit Samenstau in der Leistengegend, tauchte ich Anfang der 80er Jahre ahnungslos in die Welt der schwulen Jeans- und Lederszene im ‚Platzjabbeck‘ ein. Dieser Baba-Tempel an der Mathiasstraße hat seit seiner Eröffnung 1972 nicht nur mehrfach den Namen, sondern auch den Besitzer gewechselt und ist bis heute ein Urgestein der Kölner Gay-Szene geblieben. Über die Jahrzehnte wurden hier und später hinzugekommenen Clubs und Bars Thementage unter dem sinnfreien Motto „Ob ganz in Gummi oder nackt, hier findet jeder Körperkontakt“ angeboten. Mitte der 90er Jahren wandelte sich nicht nur in Köln die Gay-Community mit der Anzahl der wie Pilze aus dem Boden schießenden Szenelokale. Und damit begann die Spaltung der bis dahin relativ geschlossenen Sexologen. Das inzwischen öffentlich zugängliche und für jedermann erschwingliche Internet und das heute bestehende Rauchverbot in Kneipen kamen meiner Meinung nach einem Tritt in die Weichteile gleich und so war es nach der Jahrtausendwende vorbei mit dem fröhlichen Knutschen, Tratschen und Trinken in geselliger Runde.
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Und was waren das noch für gnadenreiche Zeiten, als erst die Matrosen den Ohrring als Erkennungszeichen für sich entdeckten und sich dann die Homosexuellen anhand von Ohrsteckern zumindest bis zu einer Entfernung von zehn Metern als artzugehörig erkennen konnten. Vor nichts machten die Heteros halt: Tonnenweise folgten billige Ohrschmuckstücke, die unsere älteren Bei- und Mitschläfer dermaßen verwirrten, dass von da an auch keine optische Identifikation mit Gleichgesinnten mehr möglich war. Aber pfiffig, wie unser Völkchen nun einmal ist, ließen sich einige Tunten gegen Ende der 80er wieder etwas ganz Neues einfallen: Man schlitzte sich schon damals unter schwulen Männern die beliebte knallenge Levis 501 raffiniert im Kniebereich auf. Die ganz Schamlosen unter ihnen verschafften sich dann gleich noch ein paar zusätzliche Lüftungsschlitze im Po- und Genitalbereich und gewährten nicht nur mir Ein- und Ausblicke, die es so freizügig und eindeutig im damaligen Straßenbild noch nicht gegeben hatte.
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Grundsätzlich verkehrt der Schwule auch heute noch in der vertraulichen Du-Form miteinander und spricht sein Gegenüber, wenn überhaupt, nur mit dem Vornamen an. Da sich viele dieser Methusalems durch biologisches Ableben von ihren Stammkneipen verabschieden mussten, sind mit der Zeit auch diese altehrwürdigen Treffpunkte einer neu entstandenen Subkultur verschwunden. Die letzten verbliebenen älteren Herrschaften dieser Generation haben es daher heute sehr schwer, sich mit Gleichaltrigen und Gleichgepolten zu verständigen. Da auch an ihnen der Zahn der Zeit nicht spurlos vorübergegangen ist, hat die Generation 50+ in der schwulen Subkultur schlechte Karten und oft absolut keine Lust mehr, sich von den respektlosen und arroganten Jungtucken durch schräge Blicke und dumme Sprüche herabwürdigen und ausgrenzen zu lassen. Die dysfunktionalen Schulversager scheinen dank elektronischem Zweithirn und asozialen Medien vergessen zu haben, dass auch an ihnen der Zahn der Zeit nagt und sie schneller Falten an ihren Körperstellen und größer werdende Geheimratsecken entdecken werden, als sie es sich vorstellen können.
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Am eigenen Leib habe ich festgestellt, dass das Zitat der 1980 verstorbenen Hollywood-Diva Mae West „Altern ist nichts für Feiglinge“ aus biologischer, medizinischer, soziologischer und philosophischer Sicht absolut zutreffend ist. Wer von uns wünscht sich nicht, hochbetagt, gesund und frei von finanziellen Zwängen den Lebensabend unbeschwert zu gestalten? Doch leider sieht die Realität gerade bei den meisten Seniorenschwuchteln ganz anders aus. Wer Pech hat, und damit komme ich zur Kehrseite der Altersmedaille, gerät beim Anblick begehrenswerter Sexobjekte nicht mehr in Schnappatmung, sondern greift zu Pillen, um den Bluthochdruck in Schach zu halten.
Statt sich den wohlverdienten Ruhestand zu versüßen, können viele alte Knacker froh sein, wenn sie durch ungesunde Lebensweise und Übergewicht von Diabetes verschont bleiben. An die Stelle von nächtlichen Sexorgien treten schlimmstenfalls medizinische Untersuchungen, nachlassende Männer- und Muskelkraft, Magengeschwüre, Schlafstörungen, Trübsal blasen, Hör- und Sehverlust, Atemwegserkrankungen, Arthritis, Herzerkrankungen und/oder Inkontinenz. Wer dann zu allem Überfluss statt einer Prostatamassage auch noch eine Harnabflussstörung sein Eigen nennen darf, oder der Hosenteufel den Geist aufgibt, man keinen Sex mehr haben kann, der merkt spätestens dann, dass Schwulsein und Altwerden was für den Arsch ist.
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Leider gibt es für unsere schwulen Senioren und Überlebenden des Aids-Holocaust kaum noch Möglichkeiten, sich in der Öffentlichkeit wirklich wohl zu fühlen, und wer kann und hat, zieht sich in seine privaten Räumlichkeiten oder in seine Sommerresidenz am Mittelmeer zurück. Mit viel Glück ergattert er vielleicht auch eine der äußerst raren Wohngemeinschaften in Projekten, die speziell für Schwule, Lesben und Transgender in einigen Gay-Metropolen geplant oder im Entstehen sind. Eines der ersten Projekte dieser Art entsteht unter dem Namen ‚Villa anders‘ im Kölner Stadtteil Ehrenfeld. Aus meiner Sicht wäre es wünschenswert, wenn es in Zukunft viele solcher generationsübergreifenden Wohnmodelle gäbe. Das könnte der grassierenden Isolation und der damit verbundenen Einsamkeit des Einzelnen deutlich vorbeugen und böte zudem eine geniale Möglichkeit für Jung und Alt, meine Vision eines besseren und respektvolleren Miteinanders zu verwirklichen.
Mangels solcher Projekte schwelgen unsere älteren Keulenschwinger allerdings mit Wehmut in Erinnerungen an alte Zeiten, als sie noch bedenkenlos und ohne Gummi durch die Weltgeschichte poppen konnten und die Begriffe HIV und AIDS noch nicht zu ihrem Wortschatz gehörten. In Köln erinnern sie sich manchmal an das Cruising-Gelände am Aachener Weiher, als dort noch dreißigmal mehr kopulierwillige Wildschweinkeiler und Bachen im Imponierlauf durch den städtischen Lebensraum quiekten als heutzutage und zudem jeder fast jeden kannte. Wenn es die Gesundheit und das Wetter zulassen, kann er dann in Begleitung seines ebenfalls in die Jahre gekommenen vierbeinigen Waldis auf den im Weiher vorhandenen Kondomspuren wandeln. Um sich aus sicherer Entfernung an den dort stattfindenden Paarungsakten seiner emsigen Artgenossen zu erfreuen und sich dabei >sofern medizinisch noch möglich< genüsslich ihren Schniedelwutz abmelken.
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In Deutschland ist Poppers zwar apothekenpflichtig und der Konsum und Besitz sogar legal, allerdings ist die Bestellung über das Internet und der Import illegal, was aber unsere schnüffelnden Prostataexperten einen feuchten Kehricht interessiert. Der Geruch mag für den einen oder anderen hypergeil sein, erinnert er uns doch an den Chlorgeruch aus dem Lehrschwimmbecken, den wir aus unserer Kindheit kennen. Bei einigen Mischungen kann Poppers durchaus auch an den Geruch von Schweißfüßen erinnern. Wie dem auch sei, die Poppers-Tunte nutzt Poppers nicht nur zum Nageln, sondern auch bei ihren oft an Breakdance erinnernden Showeinlagen in den Partyhochburgen unserer Republik.
Hardcore-Konsumenten im schwulen Milieu, meist in der passiven Rolle, bauen ehemals militärisch genutzte Gasmasken so um, dass das Gewinde des Gasfilters dem Gewinde der Poppers-Flasche entspricht und so eine Dauerinhalation ermöglicht, die durchaus auf der Intensivstation enden kann. Und genau darin liegt die Gefahr von Poppers, so wie bei allen Drogen, die im Übermaß konsumiert werden. Eine Überdosis kann durchaus zu einem Schock bis hin zum Koma führen.
Außerdem verätzt Poppers bei übermäßigem Konsum die Schleimhäute von Nase, Hals und Mund. Einsteigern wird dringend geraten, Poppers auf keinen Fall zu trinken, sondern durch die Nase zu inhalieren, indem man das Fläschchen in geringem Abstand unter eines der beiden Löcher des Riechkolbens hält und mit einer Hand das andere Rotzloch zudrückt. Vor dem gleichzeitigen Gebrauch von Poppers und den Schwanzhebern von Viagra & Co. muss ausdrücklich gewarnt werden, da dies zusätzlich zu einem lebensgefährlichen Blutdruckabfall führen kann.
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Abgerundet wird das Partyangebot durch die angesagtesten und zahlreichen Gay-Mottopartys zum Kölner Karneval, zum alljährlich heiß ersehnten CSD, zu Halloween oder ganz besinnlich zu Weihnachten. Einmal im Jahr feiern die Bären ein ganzes Wochenende lang auf diversen Bärenpartys, bei denen auch Nichtbären und internationales Publikum herzlich willkommen sind. Übrigens: Bis jetzt hat die Freier- und Feiertunte die Kölner Innenstadt noch kein einziges Mal verlas-sen müssen. Und wem das erwähnte Partynagasaki immer noch nicht reicht, der kann sich als Herr der Augenringe mit den restlichen Schminkutensilien noch auf diversen Afterpartys vergnügen.
Wem das dann immer noch nicht reicht, der besucht eine der unzähligen Spezialevents in den einschlägigen Locations, wie zum Beispiel den legendären und oft peinlichen Fickstutenmarkt im Station2b oder die Sneakers- & Sportswearparty im Boners. Hat die Partyschwuppe dann immer noch nicht genug, verlässt sie wehmütig das schwule Köln und fährt zum Beispiel einmal im Jahr in die für Kölner verbotene Stadt Düsseldorf. Hier wurde anlässlich der alljährlich stattfindenden Rheinwiesen-Kirmes eigens für sie der Pink-Monday ins Leben gerufen. Sofern es die eigenen finanziellen Mittel zulassen, stehen den Partyludern zudem nicht nur die deutschen Metropolen, sondern die ganze schwule Reisewelt zur Verfügung.
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Bevor das nächste Partywochenende beginnt, sitzt die Nobeltunte stundenlang beim Hairstylisten, um ihr hoffentlich noch nicht lichtes Haar richten zu lassen. Die Parfümerie, der Make-up-Artist und die Modezaren dieser Welt verwandeln sie gerne für viel Geld in eine Königin für eine Nacht. Noch schnell eine der beliebten Designerdrogen eingeworfen, Kreditkarte und reichlich Bargeld in ihr Louis Vuitton-Plagiats-Täschchen eingepackt, den sündhaft teuren Modeschmuck angelegt, das Kondom und das randvolle Poppers-Fläschchen eingesteckt und schon kann unsere meist junge balzende und aufgetakelte Schmalspur-Diva die Herzen der nächtlichen Männerscheinwelt höher schlagen lassen.
Dass die Jugend vergänglich ist, merkt sie vor allem mit Erreichen der magischen Zahl 29, deren Erwähnung sie bis zu zehn Jahre lang zu vermeiden sucht. Dabei ist sie laut Personalausweis schon seit vier Jahren von den ach so beliebten U27-Partys verbannt. Mit Anfang 30 gelangt sie >hoffentlich< zähneknirschend zu der Erkenntnis, dass alle Mühe und Geldausgaben doch sinn- und erfolglos waren. Und so beginnt auch für sie die dritte und letzte Phase ihres Lebens: das Erwachsenwerden.
– Ende –
Schwulenwitz 6:
Ein LKW-Fahrer hält auf einer einsamen Landstraße an, weil er mal pinkeln muss. Er geht in ein Gebüsch und sieht dort einen nackten Mann bäuchlings an einen Baum gefesselt. Er fragt ihn: „Was machst du denn hier? Was ist passiert?“ Der Mann zittert und antwortet: „Heute ist nicht mein Tag. Ich habe zwei Anhalter mitgenommen. Die haben mich dann mit einem Messer bedroht, mich ausgezogen, an den Baum gefesselt und mein Auto mitsamt allen meinen Sachen gestohlen. Bitte helfen sie mir!“ Der LKW-Fahrer stellt sich hinter den Gefesselten, öffnet seine Hose und meint: „Hmmm, heute ist echt nicht dein Tag!“
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