= L E S E P R O B E N =
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> Du kannst andere nur nach deinem Wissen um dich selbst beurteilen. Nun, sage mir, wer unter uns ist schuldig und wer unschuldig.“ Khalil Gibran <

Khalil Gibran
Schuld bezeichnet: die Schuld des Menschen vor Gott, siehe Sünde. Verschiedene ethische Begriffe, siehe Schuld [Ethik]. In der Psychologie die bewusste oder unbewusste Überzeugung, etwas Falsche getan zu haben, siehe Schuldgefühl. Die Vorwerfbarkeit einer Straftat, siehe Schuld [Strafrecht]. Die Leistungspflicht des Schuldners, siehe Schuld [Privatrecht]. Schuld ist auch der Name einer Gemeinde in Rheinland-Pfalz, siehe Schuld [Topbeitrag zum Thema bei www.wikipedia.de].
Ja, ja, das war mir wieder einmal völlig klar, dass es die verschiedensten Definitionen von Schuld gibt. Als Erstes klammere ich dann mal diesen erwähnten Ort Schuld an der Ahr aus, da er von relativ unbedeutender Wichtigkeit zu sein scheint. Ich kenne diese Gemeinde in der Eifel durchaus! Nach meiner über fünfjährigen ‚Gefangenschaft‘ im Kinderseelen-Vernichtungsheim ‚Maria im Tann‘ hat es mich über 27 Jahre später, also nach 1989, im Zuge meiner Herkunfts-Recherchen, noch ein paar Mal dorthin verschlagen. Offenbar bin ich lernresistent, was Orte betrifft, an denen man einst gebrochen wurde. Es ist es eine jener Ortschaften, bei denen der Autofahrer beim Erblicken des Ortseingangsschildes eine Vollbremsung macht, und wenn sein Fahrzeug zum Stehen kommt, das Ortsausgangsschild bereits hinter sich gelassen hat.
Viel interessanter ist für mich die von Wikipedia erwähnte Schuld des Menschen vor Gott, die Religionen sehr gerne als Sünde definiert haben wollen. Im christlichen Verständnis bezeichnet diese Sünde meinen unvollkommenen Zustand, der mich vom Herrn des Gerechten trennt. Na und? Als bekennender und strenggläubiger Atheist kann ich seit über fünfzig Jahren ganz prima mit dieser christlich geprägten, mir fremdbestimmten und aufdoktrinierten Trennung leben. Immerhin ist es ja nicht meine Schuld, dass ich diese Reise durch diese Zeit damals gewonnen habe, da meine Eltern meinten, sich gegenseitig sexuell beglücken zu müssen. Wer meine Lebensgeschichte kennt, weiß, dass ich ein zwar gewolltes, aber ehelos gezeugtes Balg bin.
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Wer sühnt? Vielleicht jene Eltern, die glaubten, Erziehung beginne mit Gehorsam und ende mit Schweigen? Vielleicht jene Pädagogen, die sich hinter Lehrplänen und Disziplin versteckten, während sie kleine Seelen zerlegten wie fehlerhafte Maschinen? Oder die Gesellschaft, die sich lieber in Sonntagsreden selbst beglückwünschte, als in die vernarbten Augen ihrer Kinder zu blicken? Schuld verteilt sich feinstäubig. Sie setzt sich in Kinderzimmern ab, in Schulhöfen, in Talkshows. Und wenn sie sich endlich aufzulösen scheint, kommt sie in neuer Gestalt zurück: als Filterblase, als Like, als Algorithmus. Heute übernehmen die asozialen Medien, was einst Eltern und Erziehende versäumten: Sie erziehen unsere Kinder. Ohne Liebe, ohne Blick, ohne Verantwortung. Sie lehren Aufmerksamkeitssucht statt Empathie, Selbstinszenierung statt Selbstwert. Und doch: vielleicht liegt genau darin die Chance. Denn wer Schuld erkennt, hat sie schon halb entmachtet. Wer hinschaut, statt wegschaut, durchbricht den Kreislauf. Vielleicht ist das der Anfang von Heilung: dass wir wieder lernen, Verantwortung zu fühlen, bevor sie uns abgenommen wird. Und wir? Wie verhalten wir uns? Wir stehen daneben, scrollen weiter. Aber vielleicht eines Tages nicht mehr.
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Predigen nicht gerade die Religionen, dass nur dem vergeben werden kann, der auch bereut? Die Antworten darauf stehen sicherlich noch nicht einmal im gelobten Stern von Bethlehem, geschweige denn in der gewaltigen Bibliothek des Vatikans. Damit schließe ich das leidige Kapitel Schuld aus kirchlicher und religiöser Sicht für mich erst einmal. Bevor ich noch anfangen muss, statt zu schreiben, zu kotzen! Doch das Erbrechen über vergangene Missstände wäre zu einfach, zu billig, zu bequem. Denn Schuld ist kein Relikt meiner Kindheit, kein Souvenir aus der katholischen Folterkammer meiner frühen Jahre. Sie lebt weiter. Nur hat sie längst das Gewand gewechselt. Sie trägt heute Maßanzug, Rolex und Aktienpaket.
Die Pinguine von damals heißen heute CEO, Lobbyist oder Volksvertreter. Ihre Kreuze sind nicht mehr aus Holz, sondern aus Gold, ihr Weihrauch duftet nach Profit, ihr Credo lautet Rendite. Schuld ist zum globalen Geschäftsmodell geworden. Wer die Welt zerstört, nennt es Wachstum. Wer Menschen in Armut hält, nennt es Marktordnung. Und wer Völker spaltet, nennt es Meinungsfreiheit. Ich sehe sie alle: die Trumps, die Bezoses, die Zuckerbergs dieser Welt: moralisch bankrott und doch von Aktionären gefeiert wie Heilige. Sie beichten nicht, sie bilanzieren. Sie spenden ein paar Millionen, um Milliarden reinzuwaschen. Und das Volk? Es applaudiert, als sähe es Messiasse, während es in Wahrheit Henker bejubelt. Wo früher die Kirche die Seelen knechtete, sind es heute Algorithmen, die Gedanken lenken. Wo einst Nonnen über Kinder wachten, wachen heute Server über Daten. Schuld hat das Gewand gewechselt, nicht ihr Wesen. Sie bleibt der stille Motor der Macht, und das bequemste Werkzeug derer, die keine Verantwortung kennen.
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Philosophisch betrachtet ist Schuld die Währung des Bewusstseins. Ohne Schuld kein Lernen, ohne Reue keine Entwicklung. Doch der moderne Mensch will Entwicklung ohne Schuld, Bewusstsein ohne Schmerz. Also flüchtet er in Selbstoptimierung und nennt sie ‚Selbsterkenntnis‘. Nietzsche würde heute twittern: „Gott ist tot – aber Amazon liefert Ersatz bis morgen früh.“ Sokrates würde gelöscht wegen ‚Verstoß gegen Gemeinschaftsrichtlinien‘. Und Gibran? Er würde vermutlich schweigen, weil man Weisheit nicht mehr hört, wenn sie keine Push-Nachricht sendet. Schuld ist der Motor der Zivilisation. Ohne sie gäbe es keine Religion, keine Politik, keine Werbung, keine Influencer. Sie ist das Grundrauschen des Kapitalismus, das Echo unserer Bequemlichkeit. Wer frei von Schuld sein will, muss entweder tot sein, oder so redegewandt, dass selbst die Schuld ihm Beifall klatscht.
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Ein Schnorrer sprach mich vor einem Supermarkt an. Mit der Würde eines Königs und dem Geruch vergangener Tage. „Meister, warum tragen die Reichen ihre Schuld wie Schmuck und die Armen ihre Unschuld wie Schande?“ Und ich antwortete: „Weil Reichtum lärmt und Gewissen flüstert. Und wer den Lärm liebt, hört das Flüstern nicht mehr.“ Da schwieg der Schnorrer, sah auf seine leeren Hände und sprach: „Dann will ich sie füllen; nicht mit Gold, sondern mit Erkenntnis.“ Ich nickte, lächelte müde und sagte: „Dann, mein Sohn, wird auch deine Schuld leicht sein wie Staub – und schwer nur für jene, die ihn nie aufwirbeln.“
— Aus dem „Gibran-Zyklus“ von Mike Schwarz © 2025 —
> Sagt nicht: Ich habe den Pfad der Seele entdeckt, sagt vielmehr: Ich traf die Seele, als sie auf meinem Pfad ging. Denn die Seele wandelt auf allen Wegen. Khalil Gibran <.
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