= L E S E P R O B E N =
| Vom Alter | Von der Angst | Von der Armut |
| Von der Bequemlichkeit | Vom Bösen | Von den Chancen |
| Vom Charisma | Von den Drogen |
> Und was sind die Jahreszeiten anderes als eure wechselnden Gedanken: Der Frühling ist das Erwachen eures Herzens und der Sommer die Entdeckung eurer eigenen Fruchtbarkeit. Und ist der Herbst nicht eure Vergangenheit, die dem Kind in euch ein Wiegenlied singt? Und sagt mir, was ist der Winter anderes als ein Schlaf, reich an Träumen aller anderer Jahreszeiten. Khalil Gibran <

Khalil Gibran
Unter dem Alter versteht man den Lebensabschnitt rund um die mittlere Lebenserwartung des Menschen, also das Lebensalter zwischen dem mittleren Erwachsenenalter und dem Tod. >Quelle: www.wikipedia.de<.
Entschuldigung? Aber da muss ich Wikipedia entschieden widersprechen. Nach meinem Verständnis beginnt das Altern nicht mit dem ersten Schrei nach der Geburt, sondern in dem Moment, da sich zwei Zellen begegnen – die weibliche Eizelle und das männliche Spermium. Schon in diesem Augenblick wird der Zerfall geboren, der uns später begleitet. Wie auch immer Lebewesen beschrieben werden, biologisch, philosophisch, naturwissenschaftlich, soziologisch oder humanistisch, am Ende sind wir alle dasselbe: ein physikalisch geordnetes Stück Materie, zusammengesetzt aus organisch-chemischen Substanzen. Nicht mehr und nicht weniger.
Unsere Existenz beruht darauf, dass zwei andere Lebewesen, Vater und Mutter, uns den Zutritt zu dieser Welt ermöglichten. Für die einen ein Licht, für andere ein Dunkel. Ich möchte mich hier allein auf das menschliche Alter konzentrieren, auf die Jahre von der Geburt bis zum Tod – auf jenen schicksalhaften Lauf, den wir, so glaube ich, nicht ändern können und auch nicht ändern sollten. Wem dieser Gedanke nicht gefällt, der wäre vielleicht besser als Pflanze geboren worden. Denn meines Wissens gibt es nur im Reich der Pflanzen Arten, die nicht altern – vorausgesetzt, der Mensch lässt sie in Ruhe. Pragmatisch betrachtet, ist unser Altern immer noch sinnvoller als das Leben einer Eintagsfliege. Und wer, bitte schön, möchte eine australische Breitfußbeutelmaus sein, die nach einer 14-stündigen Sexorgie erschöpft den Löffel abgibt?
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Nach dem Zusammenbruch des Nationalsozialismus stand das Land in Trümmern. Und mit ihm seine Jugend. Wer überlebt hatte, war entweder körperlich versehrt, seelisch verunsichert oder schlicht erschöpft vom täglichen Überleben. Von „Jugendkultur“ konnte keine Rede sein. Die wenigen, die noch träumen konnten, taten es im Verborgenen. Für sie war Freiheit kein Schlagwort, sondern ein leises Hoffen. Das Leben bestand aus Schutt, Suppe und Schweigen. Doch schon in den 1950er Jahren begann sich das Bild langsam zu wandeln. Die Generation, die nichts vom Krieg wissen wollte, entdeckte das Wirtschaftswunder. Und mit ihm das Gefühl, endlich wieder jung sein zu dürfen. Man tanzte zu Rock ’n’ Roll, trug Petticoats und Pomade, fuhr Isetta oder Goggo, und nannte sich wieder „wir“. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten war Jugend nicht nur Alter, sondern Haltung. Elvis Presley wurde zum Heilsbringer einer neuen Zeit, und James Dean zum Patron der Sehnsüchtigen.
Die Eltern, traumatisiert und autoritätshörig, verstanden die neuen Töne nicht. Für sie war Jugend etwas, das man möglichst schnell überwinden sollte. Doch ihre Kinder wollten das Gegenteil: erleben, ausprobieren, laut sein. Aus dem Gehorsam der Väter wurde der Protest der Söhne. Und aus dem Schweigen der Mütter das Flüstern der Töchter, die nicht länger brav sein wollten. In den 1960er Jahren kulminierte dieser Aufbruch. Die 68er-Generation stellte das infrage, was bis dahin als unverrückbar galt: Staat, Kirche, Familie, Autorität. Es war die Zeit der Studenten, der Demos, der Plakate und Parolen. Man wollte nicht länger das Land der Täter sein, sondern das der Denker. Aber diesmal mit Herz, nicht mit Helm.
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Zum Glück ist die Jugend der nachfolgenden Generationen in einem ihr zugestandenen Schutz- und Watteraum aufgewachsen, in dem sie sich selbst finden und ausprobieren kann. Ob dieser durch längere Ausbildungs- und Studienzeiten auf mehr als zwei Jahrzehnte ausgedehnt werden muss, steht auf einem anderen Blatt Papier. Ich finde es gut, dass die Lebensziele und -entwürfe der Jugendlichen heute geschlechtsneutral, dass sie durch das Medium Internet internationaler geworden sind und dass sie sich verstärkt von ihren Eltern distanzieren und eigene Ausdrucksformen schaffen. Das war bei mir nicht anders. Mit dem kleinen Unterschied, dass ich erst 17 Jahre alt war.
Weniger gut finde ich, dass auch heute noch innerhalb der arbeitenden und lernenden Jugend nicht nur Unterschiede, sondern auch unterschiedliche Jugendkulturen zelebriert werden. Für mich bedeutet das eine weitere Spaltung unserer Gesellschaft, zumal es heißt, dass wir nur gemeinsam stark sind. Ich bin ab dem siebten Lebensjahr in einer Arbeitersiedlung am Rande des Ruhrgebiets aufgewachsen und sozialisiert worden. Aufgrund dieser Erfahrungen, die ich auf keinen Fall missen möchte, ist mir bewusst, dass es nicht die intellektuelle Elite ist, die den multinationalen Konzern Bundesrepublik Deutschland am Laufen hält.
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Nachdem wir die gesellschaftlichen Erwartungen erfüllt und brav unsere statistischen Kinder in die Welt gesetzt, ein Haus gebaut und ein Bäumchen gepflanzt haben, uns abmühten, den gewaltigen Schuldenberg in den Griff zu bekommen, stellen wir eines Tages fest, dass wir in rasantem Tempo dem Alter ungläubig in die Augen schauen. Mami merkt es schnell an den hängenden Brüsten und Papi an den tausendfach gekämmten, aber kaum noch existenten Kopfhaaren. Nachdem die lieben Kinder dem Beispiel ihrer Eltern gefolgt sind und das Elternhaus, das sie später ohnehin erben werden, bereits verlassen und hoffentlich für Nachwuchs gesorgt haben, dürfen sich Mami und Papi nun als grenzdebile Omi und Opi titulieren lassen. Aber so weit sind wir noch nicht.
Bevor wir in den wohlverdienten Ruhestand treten, müssen wir noch die Jahre der Jugend und dann die der Erwachsenen durchleben. Die Jahre der Kindheit überspringe ich geflissentlich, denn dazu habe ich mir bereits unter dem Kapitel „Von den Kindern“ nicht nur meine schrägen Gedanken gemacht, sondern auch niedergeschrieben. Im Allgemeinen wird die Jugend in Deutschland mit dem Eintritt der Geschlechtsreife und der Phase bis diese Gruppe so gut wie ausgewachsen und gefühlsmäßig und gesellschaftlich gereift ist. Die Betonung liegt hier bei „so gut wie“. Ich nenne sie Heranwachsende, kluge Köpfe nennen sie Adoleszenz, das Alter von zwischen 13 und 22.
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Rentnerparadies Deutschland? Weit gefehlt. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Ganz anders. Zumindest für die breite Masse der Bevölkerung, die über vierzig Jahre lang fleißig und rechtschaffen gearbeitet hat. Viele ältere Menschen, die sich nach einem beschwerlichen Arbeitsleben mit einem vierrädrigen Einkaufskorb oder einem Rollstuhl durch eine nicht barrierefreie Wohnung schlängeln müssen, könnten mit ihren Verrenkungen durchaus als Zirkusartisten auftreten. Aber Spaß beiseite: Auf Anraten meines Hausarztes wurde mir vor Jahren einer dieser unpraktischen, nervtötenden und rückenschädlichen ‚Hackenporsche‘ geliefert. Nach drei Tagen bat ich höflich, aber dringend um Abholung und fahre seitdem mit bis zu 45 km/h die schnellsten Rollatoren Kölns: bequeme, zweirädrige Elektromobile mit erhöhter Sitzposition, Straßenzulassung und abnehmbaren Einkaufskörben, mit denen man im Supermarkt bis an die Einkaufswagen heranfahren kann. Auch die Mitnahme in Aufzügen, sofern groß genug, und an behindertengerechten Haltestellen ist kein Problem. Sofern Verbotsschilder die Mitnahme verhindern.
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Dass unser marodes Rentensystem bei steigender Lebenserwartung und sinkender Zahl der Beitragszahler irgendwann kollabieren wird, hätten die verantwortlichen Politiker schon vor dreißig und mehr Jahren erkennen können. Dies ist umso erstaunlicher, als in den Ministerien eine Armada von hoch bezahlten, zum Teil akademisch selbstverliebten, aber offensichtlich unfähigen Beamten des höheren und gehobenen Dienstes sitzt. Dazu kommen noch zahlreiche externe Beraterfirmen, die oft mehr Kosten als Nutzen verursachen. Alles natürlich auf Rechnung des braven Steuerzahlers. Den meisten nach Macht strebenden Politikern im Deutschen Bundestag fehlt einfach das Verantwortungsgefühl und das vorausschauende Denken. Zu den bisherigen Rentenreformen hätte ich einen revolutionären Vorschlag für die Damen und Herren im Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Blablabla: Warum ist man nicht längst dazu übergegangen, jedem Bürger seine Rente nicht erst im Alter, sondern schon in jungen Jahren auszuzahlen?
Würden wir beispielsweise unsere Rente bis zum 30. Lebensjahr beziehen, könnten wir unsere Freiheiten bei bester Gesundheit genießen. Bis zum 18. Lebensjahr gäbe es ein sattes Kindergeld, in den folgenden zwölf Jahren eine Jugendrente oder ein entsprechend hohes Bafög. Danach wäre ein Arbeitsleben bis ins hohe Alter angesagt, bis sich der Sargdeckel schließt. Für die ‚da oben‘ gerne mit Staatsbegräbnis. Was nützt mir eine Rente mit 70, wenn ich krankheitsbedingt gar nicht mehr mobil bin? Und was ist schön am Rentnerdasein, wenn ich nicht mehr feiern kann oder will? Und als Witwer mit einem Koffer voller Potenzmittel nach Thailand fliegen zu wollen, stelle ich mir auch nicht so prickelnd vor. Warum also nicht ab dem 30. Lebensjahr bis zum Tag des biologischen Verfalls meine Arbeitskraft der Allgemeinheit zur Verfügung stellen?
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Bei meinen Beobachtungen der Armut hier in Köln, nicht in Afrika oder sonst wo auf der Welt, ist mir immer wieder die Zwillingsschwester der Armut aufgefallen: der Hunger. Damit meine ich nicht die organisierten Bettelgruppen, die in manchen Städten ihr Unwesen treiben, sondern die Menschen, die abseits der Touristenströme in und neben Müllcontainern voller Scham, mit zerschlissener Kleidung und kaputten Schuhen nach etwas Essbarem suchen müssen. An denen wir Tag für Tag achtlos vorbeigehen, ohne ihnen ein Almosen zu geben. Das Paradoxe daran: Als Steuerzahler werfen wir seit Jahrzehnten Milliarden und Abermilliarden in die Mäuler der Hungernden dieser Welt. Doch für unschuldig in Armut geratene ältere Mitbürger in Deutschland ist nicht genug Geld da.
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Alt zu sein bedeutet nicht, veraltet zu sein. Es bedeutet, erlebt zu haben. Und das ist in Zeiten von Dauerjugend und Filterblüten schon fast revolutionär. Ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass ich alles gesehen habe, was man sehen kann, und trotzdem noch neugierig bleibe auf das, was kommt. Vielleicht ist das das wahre Geheimnis des Alters: nicht ewig jung zu bleiben, sondern nicht aufzuhören, sich zu wundern. Wenn ich heute Jugendliche beobachte, sehe ich mich manchmal in ihnen. Den Trotz, die Sehnsucht, das Suchen nach einem Platz, den es vielleicht gar nicht gibt. Ich lächle dann und denke: Wartet’s ab, Kinder, das Leben wird euch noch schleifen, aber es wird euch auch formen. Und irgendwann steht ihr da, mit Falten im Gesicht, aber Glanz in den Augen, und begreift: Altwerden ist kein Abstieg, sondern eine Beförderung – nur ohne Lohn- oder Gehaltserhöhung.
Ich wünsche mir, dass die Jugend das Alter nicht fürchtet, sondern versteht. Dass sie erkennt, wie viel Freiheit darin steckt, nichts mehr beweisen zu müssen. Dass sie lernt, dass Reife kein Zustand, sondern ein Prozess ist, und dass Weisheit nicht mit dem Alter kommt, sondern mit der Fähigkeit, über sich selbst zu lachen. Ich weiß, dass die Tage kürzer werden, aber ich habe aufgehört, sie zu zählen. Wichtig ist, dass sie hell bleiben. Und wenn sie es nicht sind, mache ich sie mir hell. Mit Humor, Erinnerung und einem ordentlichen Schuss Selbstironie. Mein Fazit? Ganz einfach: Wer alt wird, hat’s geschafft. Wer jung bleibt im Kopf, hat’s verstanden. Und wer beides miteinander verbinden kann, hat das Spiel des Lebens gewonnen.
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Und die Bürger von Köln sagten: „Sprich zu uns vom Alter.“ Und ich sprach: „Alter ist kein Schatten, der dir folgt, sondern ein Licht, das dich lehrt, langsamer zu gehen, damit du siehst, wo du warst. Die Jugend zählt die Jahre, das Alter die Augenblicke – und wer klug ist, zählt beides nicht. Denn die Zeit ist kein Feind, sie ist nur ein Spiegel, der dir zeigt, was du wirklich liebst. Fürchte nicht die Falten in deinem Gesicht, sondern jene in deiner Seele, die entstehen, wenn du das Staunen verlernst. Und wenn dein Körper müder wird, so danke ihm – er trägt die Geschichten, die du einst erzählen wirst, wenn andere längst verstummt sind. Alter ist kein Ende, sondern ein stiller Beginn. Ein Spaziergang mit sich selbst – barfuß, ehrlich und unendlich lebendig.“
– Aus dem ‚Gibran-Zyklus‘ von Mike Schwarz © 2025 –
> Beherzt ist nicht, wer keine Angst kennt, beherzt ist, wer die Angst kennt und sie überwindet. Khalil Gibran <
Sigmund Freud >ursprünglich Sigismund Schlomo Freud ‚6. Mai 1856 in Freiberg/Mähren; †23. September 1939 in London< war ein österreichischer Neurologe und Tiefenpsychologe. Er erforschte zunächst die Hypnose und deren Wirkung, um psychisch kranken Personen zu helfen. Später wandte er sich von dieser Technik ab und entwickelte eine Behandlungsform, die u. a. auf freien Assoziationen und Traumdeutung beruhte, um die seelische Struktur des Menschen zu verstehen und zu behandeln >Psychoanalyse<. Nach ihm ist der ‚Freudsche Versprecher‘ als offensichtlichstes Beispiel einer Fehlleistung benannt >Quelle: www.wikipedia.de<.
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Da Freud ganz schön mächtig einen an der Klatsche hatte, schreibe ich das folgende Kapitel a) mit meinen eigenen Worten und Gedanken und b) ohne tiefenpsychologisch geschult zu sein. Oder, wie meine gute Oma Dine immer sagte: „Versuch macht klug.“ Und sie hatte, wie fast immer, Recht. Vor allem, wenn’s ums Leben geht – oder ums Überleben. Wer kennt sie nicht, die Angst? Genauer gesagt: Ängste. Denn die gute, alte Angst ist ein wahres Chamäleon. Mal kommt sie schleichend wie ein Steuerbescheid, mal springt sie einen an wie ein übermotivierter Fitnesstrainer. Wenn sie überhandnimmt, nennen die sogenannten Gehirn-Psychotroniker das Ganze „Phobie“. Und dann wird’s richtig bunt: Da gibt’s die Ablutophobie – die Angst vorm Waschen. Was gewisse Zeitgenossen in Bus und Bahn offenbar recht wörtlich nehmen. Die Nomophobie, also Panik ohne Handy, oder die Coulrophobie, die Angst vor Clowns. Verständlich, wenn man sonntags mal in eine dieser Selbstfindungsgruppen geraten ist.
Es geht weiter mit der Arachibutyrophobie, der Angst, dass Erdnussbutter am Gaumen kleben bleibt, der Papaphobie, der Angst vor dem Papst. Wer weiß, vielleicht mit gutem Grund. Dann hätte ich noch die Xanthophobie im Angebot; die Angst vor der Farbe Gelb. Und mein persönlicher Favorit: Phobophobie, die Angst vor der Angst selbst. Das nenne ich Effizienz. Grundsätzlich aber gilt: Angst ist nichts, wovor man sich fürchten müsste. Sie ist ein eingebautes Frühwarnsystem, ein instinktiver Schutzmechanismus, der uns sagt: „Lauf, das wird nix!“ Leider hat die moderne Welt daraus ein Dauerabo gemacht. Und während manche sich total analysieren, bleibt Oma Dines Weisheit ungeschlagen: Versuch macht kluch – notfalls auch durch Schaden.
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Dabei ist Angst im Grunde eine ziemlich loyale Begleiterin. Sie will uns gar nicht vernichten, sie will uns wachrütteln. Sie flüstert: „Pass auf dich auf, aber versteck dich nicht.“ Ohne sie wären wir leichtsinnig, übermütig, vielleicht sogar gefährlich. Angst ist der Schatten des Mutes und nur wer beides kennt, kann geradeaus gehen. Ich persönlich betrachte Angst inzwischen wie ein Haustier, das man füttern, aber nicht zähmen sollte. Sie schnuppert an allem Neuen, knurrt manchmal grundlos, legt sich dann aber brav in die Ecke, wenn man ihr ruhig erklärt, dass alles gut ist. Wer seine Angst kennt, muss sie nicht mehr bekämpfen. Man muss sie nur gelegentlich an die Leine nehmen, wenn sie wieder versucht, den ganzen Tag zu dominieren. Am Ende bleibt sie, wie sie ist: lästig, nützlich, unberechenbar. Und ein Stück menschlicher Grundausstattung. Wir können sie nicht abschaffen, nur mit ihr leben. Vielleicht ist das die größte Form von Mut: nicht angstfrei zu sein, sondern Angst bewusst.
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Eine meiner Lieblingsängste ist die Angst vor der künstlichen Intelligenz. Menschen, die jahrelang nicht einmal die Batterien in ihrer Fernbedienung wechseln konnten, haben plötzlich Angst, dass Roboter die Weltherrschaft übernehmen. Dabei wäre es doch wunderbar, wenn Maschinen endlich das täten, was Menschen seit Jahrhunderten verweigern: Fehler zuzugeben. KI hat keinen Stolz, keine Eitelkeit, keinen Dünkel. Sie rechnet einfach. Vielleicht macht uns das so nervös: dass eine Maschine ehrlicher mit uns umgeht als wir selbst. Und schließlich die Angst vor dem ganz Alltäglichen: Autofahren, Zugfahren, Fliegen, Aufzüge, enge Räume, weite Plätze. Der eine schwitzt im Stau, der andere schon beim Einsteigen. Aber mal ehrlich: Das Leben ist nun mal kein Sicherheitskonzept, sondern eine permanente Probefahrt ohne Airbag. Manchmal hilft nur tief durchatmen und hoffen, dass der Beifahrer wenigstens schweigt.
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Manchmal denke ich, Angst ist wie ein schlecht erzogener Hund. Wenn man sie anschreit, bellt sie lauter. Wenn man sie füttert, wird sie fett. Schaut man ihr ruhig in die Augen, legt sie sich hin. Das Geheimnis liegt nicht darin, sie loszuwerden, sondern ihr beizubringen, wann sie still sein soll. Zukunftsangst, so glaube ich, ist keine Angst vor der Zukunft, sondern vor der eigenen Unfähigkeit, sie zu gestalten. Wir fürchten nicht das Morgen, sondern unsere eigene Unsicherheit im Heute. Dabei besteht das Leben ohnehin aus lauter Provisorien: aus Hoffnungen, Plänen, Entwürfen und Improvisationen. Wer Angst vor der Zukunft hat, sollte vielleicht einfach den Kalender zuklappen und sich einen Kaffee machen, denn die Zukunft kommt sowieso, auch ohne Terminvereinbarung. Angst hat aber auch etwas zutiefst Demokratisches: Sie macht keinen Unterschied zwischen Millionär und Mindestlohn, zwischen Professorin und Fußboden-Kosmetikerin, zwischen Jungspund und Greis. Sie sitzt bei allen mit am Tisch. Nur das Besteck unterscheidet sich. Die einen schneiden sie klein und verdauen sie mit Humor, die anderen würgen an ihr herum, bis sie ihnen quer im Hals steckt.
Ich habe gelernt, dass Angst sich verkleinert, wenn man sie anschaut, und wächst, wenn man sie meidet. Deshalb schaue ich ihr regelmäßig in die Augen: manchmal böse, manchmal liebevoll, je nach Tagesform. Und wenn sie wieder anfängt, mich mit düsteren Zukunftsbildern zu piesacken, sage ich ihr: „Na schön, Angst, dann komm halt mit. Aber setz dich hinten hin und schnall dich an.“ Vielleicht ist das der beste Umgang überhaupt: Sie nicht bekämpfen, sondern führen. Ihr nicht gehorchen, sondern zuhören, um dann selbst zu entscheiden, wann man ihr glaubt und wann nicht. Angst ist kein Feind. Sie ist ein verunsicherter Freund, der zu laut redet. Und wer gelernt hat, diesen Freund freundlich zum Schweigen zu bringen, hat gewonnen. Denn am Ende gilt: Das Leben ist keine Übung, sondern die Aufführung. Und wer Angst hat, sich zu blamieren, verpasst den Applaus.
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Und eines Abends, als ich meine Lesebrille suchte und stattdessen meinen Humor fand, fragte ein junger Mensch mit neugierigen Augen: „Erzählst du mir etwas über die Angst?“ Und ich sprach: „Fürchte nicht die Angst, denn sie ist die Wächterin am Tor der Erkenntnis. Sie ruft laut, wenn du zu schnell rennst, und flüstert leise, wenn du stehen bleiben sollst. Viele verjagen sie mit Lärm, doch sie kehrt zurück – kleiner, klüger und geduldiger. Wer sie ansieht, nimmt ihr die Maske, und erkennt: hinter ihr wohnt nur die Sorge um dich selbst. Darum geh mit ihr, wie man mit einem störrischen Tier geht – mit Ruhe, mit Atem, mit einem Lächeln. Denn wenn du sie führst, zeigt sie dir Wege, die Mut allein nie finden würde. Und am Ende, wenn sie müde wird, legt sie sich zu deinen Füßen – zahm, still, und fast ein bisschen dankbar.“
– Aus dem ‚Gibran-Zyklus‘ von Mike Schwarz © 2025 –
>Die Armut macht die Würde der Seele sichtbar, mein Freund und der Reichtum enthüllt ihre Verderbtheit. Khalil Gibran <
Armut bezeichnet den Mangel an Chancen, ein Leben zu führen, das gewissen Minimalstandards entspricht. Die Maßstäbe für diese Standards und die Vorstellungen über die Ursachen von Armut sind örtlich und zeitlich sehr verschieden. Die WHO definiert Armut nach dem Einkommen. Danach ist arm, wer monatlich weniger als die Hälfte des durchschnittlichen Einkommens seines Landes zur Verfügung hat. In Deutschland sind das etwa 600 Euro. >Quelle: www.wikipedia.de<
Gut, dann bin ich nicht arm! Zumindest nicht nach der Rechenformel unserer hochwohlgeborenen Statistikjongleure. Doch Armut lässt sich nicht in Zahlen pressen, nicht in Diagramme zwingen. Sie riecht, sie frisst, sie macht klein. Laut unserer lieben Bundesregierung gibt es wegen der „Vielschichtigkeit“ keine allgemein gültige Definition von Armut – Stand 2001. Ein bequemes Schlupfloch, um das Thema in Bürokratendeutsch zu ertränken. Ich versuche trotzdem, sie zu fassen, diese Vielschichtigkeit. Denn sie ist real, sie lebt mitten unter uns – in Deutschland, im Land der Überflussillusion. Armut kann töten. Der Tsunami vom 26. Dezember 2004 in Südostasien hat das grausam bewiesen. Nicht das Wasser war der Mörder, sondern die fehlenden Frühwarnsysteme. Sie hätten hunderttausende Leben retten können. Hätte man sie sich nur leisten können. 130 000 Menschen starben an den Folgen der Armut. Nicht an Natur, an Nachlässigkeit. An einem Mangel, der längst kein Schicksal mehr ist, sondern ein Symptom globaler Gleichgültigkeit. Zwei bis drei Millionen weitere wurden durch diese Katastrophe in Armut gestoßen. Unverschuldet, versteht sich. Auch auf den Malediven halbierte sich die Bevölkerung. Das Meer nahm, was die Menschen ihm durch Gleichgültigkeit selbst überließen.
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Nach diesen Ausführungen über Armut im Ausland kehre ich zurück in das Land, das sich gern für das Maß aller Dinge hält – nach Deutschland. Auch hier gibt es sie, die Armut: finanziell, kulturell, geistig. Jede Spielart ein Symptom derselben Krankheit. Wie immer gilt: Ausnahmen bestätigen die Regel. Doch zunächst lohnt sich ein Blick zurück, ein Vergleich zwischen damals und heute. Armut – sie war nie weg. Vom rauchgeschwärzten Mittelalter über das Dampfzeitalter bis zur digitalen Gegenwart hat sie sich nur ihr Gesicht gepudert. Im Mittelalter waren es Almosen, die das Elend milderten. Heute heißen die Almosen „Hilfsorganisationen“, die mit mildem Lächeln an der Armut ihrer Klientel kräftig mitverdienen. Die Caritas etwa, der christliche Arm der katholischen Kirche, beschäftigt über 500 000 Menschen. Ehrenamtliche, Freiwillige, Auszubildende? Noch gar nicht mitgerechnet. Das Deutsche Rote Kreuz wiederum, ein eingetragener Verein wohlgemerkt, hantiert mit fünfzehn Entgeltgruppen, jeweils sechs Lohnstufen, brav an den öffentlichen Dienst angelehnt. Nicht schlecht für Institutionen, die im Namen der Nächstenliebe kassieren.
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Man redet sich ein, wir seien nicht arm. Ich sehe das anders. Die Mittel wären da, um jedem ein würdiges Minimum zu sichern. Doch stattdessen füttern wir Sozialschmarotzer, Subventionsbetrüger, Schwarzarbeiter und Politiker, die das System aussaugen wie Blutegel. Würde man diesen Sumpf endlich trockenlegen, könnten die wirklich Bedürftigen, nämlich Arbeitsunfähige, Rentner, Verlassene, wenigstens 200 Euro mehr im Monat atmen. Ein kleiner Schritt für den Staat, ein riesiger für die Würde. Seit Jahrzehnten sehe ich dasselbe Muster: Die Armen werden ärmer, die Reichen reicher. In den 1960ern lag das Verhältnis 30:1, heute liegt es bei rund 80:1. Das ist kein Rechenfehler – das ist eine tickende Friedensbombe. Wer sie hört, kann die Zukunft erahnen: Sie tickt leise, aber sie tickt.
Armut ist kein persönliches Versagen, sie ist Schicksal und oft fremdverschuldet. Doch es gibt sie auch: die Faulen, die Bequemen, die sich vom Fleiß der anderen tragen lassen. Ihnen gilt keine Entschuldigung. Allen anderen aber, den Arbeitswilligen, den Kämpfern, den Stillen, die nicht aufgeben wollen, sage ich:„Ergebt euch nicht!“ Armut kann jeden treffen, aber nicht jeder lässt sich von ihr brechen. Wer auf Hilfe vom Staat wartet, wartet auf ein Wunder, das nie kommt. Denn am Ende bleibt eine alte Wahrheit: Hilfe zur Selbsthilfe – oder gar keine.
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Warum, frage ich, krempelt die arbeitsfähige Bevölkerung dort nicht selbst die Ärmel hoch? Warum auch, wenn der Westen immer wieder als Schutzengel einspringt? Sie wissen, dass Hilfe kommt. Aus Ländern, deren Bürger hart arbeiten und Steuern zahlen, um das Gewissen ihrer Regierungen zu beruhigen. Als absolut arm gilt, wer weniger als einen US-Dollar pro Tag zur Verfügung hat. Ein Dollar vs. ein Leben. Ich selbst bekomme 345 Euro Sozialhilfe im Monat, plus Miete, Nebenkosten, Krankenversicherung und ganze 25,56 Euro Mehrbedarf für Ernährung. Ein Königseinkommen? Kaum. Berlin denkt längst über Kürzungen nach. Und während die Statistiker noch rechnen, wächst die Zahl der Menschen in relativer Armut weiter. Diese Menschen leben nicht nur mit zu wenig Geld, sie leben außerhalb. Ausgegrenzt vom gesellschaftlichen Leben, unsichtbar, übersehen.
Armut ist mehr als Mangel. Sie ist das Gefühl, nicht mehr dazuzugehören. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie schwer es ist, aus diesem Strudel herauszukommen. Für viele ist er ein Sog, kein Zustand. Am härtesten trifft es die, die gar keine Wahl haben: Kinder und Jugendliche. Wer in Armut geboren wird, startet mit einem Handicap, das kein gutes Zeugnis der Gesellschaft ist. Kein Geld für Kleidung, keine Heizung, kein Platz. Keine Freizeit, keine Teilhabe, kein gesundes Aufwachsen. Ein Leben voller Mangel, bevor es überhaupt begonnen hat. Diese Kinder zahlen den Preis für eine Welt, die sich lieber über „Kinderpatenschaften in fernen Ländern“ rührt, als vor der eigenen Haustür hinzusehen. Wie bequem: Ein Dauerauftrag fürs Gewissen, während 2,5 Millionen Kinder in Deutschland arm sind. Haben sie kein Recht auf eine Kindheit ohne Hunger, ohne Scham, ohne Angst?
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Und weil wir schon beim Thema Überholspur sind: Eines meiner liebsten Reizthemen ist das Beamtentum! Jenes unantastbare Bollwerk aus Privilegien, das mitverantwortlich ist, dass die Renten der arbeitenden Bevölkerung sinken, während die Beamtenpensionen gemütlich weiter steigen. Die Abschaffung dieser Sonderrechte wäre längst überfällig. Doch was hindert die Politik daran? Nichts, außer der Angst, die eigene Futterquelle zu gefährden. Wer, bitte, braucht rund 1,9 Millionen mehr oder weniger qualifizierte Kirchendiener, Lehrer, Ärzte, Soldaten, Forst-, Fischerei- oder Bahnbedienstete mit Beamtenstatus? Reichen nicht die, die tatsächlich hoheitliche Aufgaben haben: Richter, Staatsanwälte, Polizei, Zoll?Deutschland ist Jahrhunderte ohne diesen aufgeblähten Beamtenapparat ausgekommen. In der DDR wurde das Beamtentum kurzerhand verboten. Zwei Drittel unserer heutigen Staatsdiener hätten dort bestenfalls als Schauspieler oder Bestatter Karriere machen können. Aber welches Land braucht schon 1,7 Millionen mittelmäßige Komödianten oder Totengräber?
Ich bin überzeugt: Zwei Drittel aller Beamten ließen sich problemlos in normale Angestelltenverhältnisse oder in die Selbständigkeit überführen; und niemand würde es merken. Nach dem Grundgesetz sind wir doch alle gleich, oder? Warum sind dann ausgerechnet die Rentenbeitragsverweigerer gleicher? Ich kenne keinen Berufsstand, der so umfassende Sonderrechte genießt, vom Kündigungsschutz bis zur Bestandsgarantie. Beamte bekommen Wehrdienst, Zivildienst und sogar Studienzeiten als Dienstjahre angerechnet, und das bei einer Pension, die doppelt so hoch ist wie die Rente eines gleich lang arbeitenden Angestellten. Eine Mindestpension von über 1 400 Euro nach nur fünf Dienstjahren! Dazu Ehegatten- und Kinderzuschläge, Steuervergünstigungen, und das Ganze wird auch noch mit moralischem Sendungsbewusstsein serviert. Warum also nicht gleich den Adelstitel dazu schenken?
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Anstatt den Frust in sinnlosem Selbstmitleid zu ertränken, gäbe es genügend Möglichkeiten, die Zeit sinnvoll zu nutzen. Zum Beispiel, um sich endlich wieder um die Bildung der eigenen Kinder zu kümmern. Das wäre doppelt gewinnbringend: Die Kinder hätten bessere Chancen auf Arbeit, und man selbst wird dabei garantiert nicht dümmer. Statt Bier zu saufen, herumzulungern, aus Frust zu essen, zu kiffen oder sich in endlosen Horror-DVDs und Talkshow-Therapien zu verlieren, könnte man die Zeit auch zur Zeit der Besinnung machen. Eine kleine, aber entscheidende Kurskorrektur im eigenen Leben. Ich selbst musste in über fünf Jahrzehnten Berufsleben nie an einem „Freizeitphilosophentreff“ teilnehmen, um auf den Gedanken zu kommen, dass Arbeit zum Leben gehört. Wenn ich Geld brauchte, habe ich gearbeitet, egal ob gut bezahlt, schlecht bezahlt, stumpf oder anspruchsvoll. Mein Motto bleibt bis heute: „Wer arbeiten will, findet Arbeit.“ Es war nie bequem. Aber es war ehrlich.
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Ich habe trotz meiner relativen Armut nie zugelassen, dass mich die geistige Armut der Sofa-Gesellschaft ansteckt. Ich wollte nicht Teil einer Welt werden, die sich mit Dosenbier betäubt und sich von Armutsmedien verblöden lässt. Ab Mitte 40 habe ich meine Zeit erneut genutzt, um meinen Horizont zu erweitern, zu lernen, zu lesen und zu denken. Was würde es mir bringen, zu resignieren? Gar nichts. Denn wer den Glauben an das Positive verliert, verliert sich selbst. Ich bin offiziell erwerbsunfähig, ja. Aber das bedeutet nicht, dass ich nutzlos bin. Es gibt tausend Dinge, die ich tun kann: kleine, große, sinnvolle. Solange ich denken, schreiben, atmen kann, bleibe ich Teil dieser Gesellschaft. Denn eines weiß ich ganz sicher: Die Hoffnung sollte immer als Letztes sterben.
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Und eines Morgens, als die Stadt noch schlief und das Geräusch der Müllabfuhr mein einziges Konzert war, sprach mich ein alter Mann an, dessen Mantel mehr Löcher als Knöpfe hatte: „Erzähl mir von der Armut.“ Und ich sprach: „Armut ist nicht der Mangel an Dingen, sondern der Verlust des Staunens. Viele besitzen viel und leben doch in Mangel, weil sie nichts mehr sehen, das größer ist als sie selbst. Wer aber wenig hat und teilen kann, besitzt mehr als jener, der alles hortet. Denn Reichtum, der nur glänzt, erblindet den Blick – doch Armut, die erkennt, öffnet das Herz. Fürchte nicht die leeren Taschen, sondern das leere Herz, das nicht mehr geben will. Und glaube mir: Wer das Wenige mit Würde trägt, dem legt das Leben manchmal heimlich ein kleines Stück Himmel in die Manteltasche.“
– Aus dem ‚Gibran-Zyklus‘ von Mike Schwarz © 2025 –
Auf dem Weg zur Heiligen Stadt traf ich einen anderen Pilger und fragte ihn: „Ist dieses wirklich der Weg zur Heiligen Stadt?“ Und er sagte: „Folge mir, und du wirst die Heilige Stadt in einem Tag und in einer Nacht erreichen.“ Und ich folgte ihm. Wir wanderten viele Tage und Nächte, ohne die Heilige Stadt zu erreichen. Und was mich überraschte: Er wurde böse auf mich, weil er mich irregeleitet hatte >Khalil Gibran<.
Die Sporthose ist eine bequeme Hose mit ausreichend Bewegungsfreiheit für das Ausüben vieler Sportarten. Man unterscheidet zwischen kurzen Sporthosen (Turnhosen) und langen (Trainingshosen). Durch ihre Bequemlichkeit wird sie häufig als ideale Freizeithose angesehen, verrät allerdings durch ihr eher schlampiges Aussehen auch eine gewisse Respektlosigkeit mit der Umwelt. Kombiniert mit einem Lacoste – Pullover wird offensichtlich, dass der Träger neureich ist. Popgrößen wie die Spice Girls und Eminem trugen sie auf ihren Konzerten. Auch diese passen in dieses Schema. Einen gewissen Kultfaktor haben Klassiker der 70er der bekannten deutschen Sportartikelhersteller >Quelle: www.wikipedia.de<.
OK, Leute! Macht mich bitte nicht dafür verantwortlich, dass Wikipedia das Thema Bequemlichkeit über Sporthosen definiert. Der Artikel, den ich hier verfasse, beschäftigt sich nicht mit Baumwolle und Stretchanteil, sondern mit der Bequemlichkeit des Menschen, jener stillen Seuche, die sich wie ein unsichtbarer Virus durch Behörden, Wohnzimmer, Kantinen und Hirnwindungen frisst. Ein Beispiel gefällig? Heute erst bin ich ihr wieder begegnet; bei einem meiner ach so beliebten Behördenmarathons. Mein Sachbearbeiter wünschte eine Kopie eines Wohnungsangebotes. Also fertigte ich sie an, dackelte, als geh- und schwerbehinderter Mann, die 800 Meter bis zum Amt, ließ mich von kinderwagenschiebenden Türkenmuttis im überfüllten Aufzug in den dritten Stock chauffieren, klopfte höflich an und fragte, ob ich die Kopie abgeben dürfe. Antwort: „Das müssen Sie im Servicebüro abgeben.“ Also marschiere ich dorthin, klopfe erneut, und höre: „Sie müssen warten.“ Darauf ich: „Ich muss gar nichts mehr!“ Und drücke dem guten Mann die Kopie in die Hand, mit der freundlichen Bitte, sie seinem noch bequemeren Kollegen weiterzuleiten. Noch Fragen?
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Und weil das noch nicht reicht, gibt’s Nachschlag: Die Diätbequemlichkeit bestehend aus Kapseln statt Gemüse. Die Bewegungsbequemlichkeit: E-Scooter statt Beine. Die Denkbequemlichkeit: Meinung per Mausklick. Freuen dürfen sich Fast-Food-Ketten, Softdrink-Konzerne, Süßwaren- und Textilindustrie, Chirurgen, Pfleger und das Bestattungsgewerbe. Die Menschheit isst, sitzt, scrollt und nennt es Fortschritt. Wäre es da nicht fast sozialverträglicher, jeder, der über 30 Prozent Übergewicht verfügt, würde einfach umweltschonend platzen? Ganz schlimme Zeitgenossen in diesem Zusammenhang sind die Opportunisten. Sie handeln nur zweckmäßig, passen sich jeder Lage an. Und nennen das Klugheit. In Wahrheit ist es die Bequemlichkeit des Denkens. Warum diese Spezies besonders in der Politik und in Gewerkschaften wuchert, wäre eine lohnende Forschungsfrage für kommende Generationen. Falls die überhaupt noch aufstehen.
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Die tödliche Seite der Bequemlichkeit: Bequemlichkeit ist längst kein harmloses Laster mehr; sie kostet Leben. Im Ahrtal starben Menschen, weil Warnungen zu spät kamen und niemand rechtzeitig reagierte. In Pflegeheimen liegen Senioren wund, weil Personal und Verwaltung sich im Vorschriften-Labyrinth erschöpft ausruhen. Wälder brennen, weil wir zu bequem sind, aufs Auto und das Rauchen zu verzichten. Und in Kriegen wird weggeschaut, weil Empörung anstrengender ist, als Wegzappen. Bequemlichkeit tötet nicht laut: Sie tötet leise. Sie flüstert: „Mach’s später.“ Sie raubt uns Verantwortung, Haltung und Würde. Der wahre Fortschritt wäre, wenn der Mensch wieder lernt, unbequem zu sein. Denn nur, wer sich bewegt, lebt. Und wer zu bequem ist zu leben, der ist längst tot. Er hat nur vergessen, sich hinzulegen.
Aber hey! Noch ist nicht alles verloren! Wer bis hierher gelesen hat, hat immerhin durchgehalten. Und das ganz ohne Pause, Snack oder Powerriegel. Vielleicht ist genau das schon der erste Schritt zurück in die Zivilisation der Aufrechten. Man muss ja nicht gleich Marathon laufen oder Gemüse anbauen. Es reicht schon, ab und zu mal wieder den eigenen Hintern zu bewegen, bevor er ein eigenes Ökosystem bildet. Also: steh auf, atme durch, tu irgendwas! Und wenn du danach erschöpft bist: keine Sorge. Ein bisschen Bequemlichkeit sei dir gegönnt.
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Und nachdem ich den letzten Satz geschrieben hatte und mein Stuhl verdächtig nach Bett roch, hörte ich eine Stimme aus der Küche murmeln – vielleicht mein Gewissen, vielleicht Gibran beim Kaffee: „Sprich zu mir von der Bequemlichkeit.“ Und ich sprach: „Bequemlichkeit ist der Schlaf der Seele, süß wie Honig und schwer wie Stein. Sie beginnt mit einem Kissen und endet mit dem Verlust des Willens. Viele nennen sie Zufriedenheit, doch sie ist nur die träge Schwester des Mutes. Denn wer sich zu oft ausruht, ruht bald im Stillstand. Der Mensch wurde nicht geschaffen, um weich zu liegen, sondern um aufrecht zu gehen. Darum stehe auf, auch wenn du müde bist – nicht, weil du musst, sondern weil du kannst. Und erinnere dich: Bewegung ist Gebet in sichtbarer Form.“
– Aus dem ‚Gibran-Zyklus‘ von Mike Schwarz © 2025 –
„Derjenige, der seinen Finger auf das legen kann, was Gut und Böse trennt, ist zugleich der, der sogar den Gewandsaum Gottes berühren kann“ >Khalil Gibran<.
Das Böse (von Althochdeutsch »bösi«, eigentlich »aufgeblasen, geschwollen«) ist das, was ethisch falsch ist, was abzulehnen und schlecht ist. Es ist also das Gegenteil des Prinzips des Guten, allerdings nicht bezogen auf gute Qualität, sondern auf Moral, wobei die Grenzen zwischen »böse« und »schlecht« im allgemeinen Sprachgebrauch nicht scharf gezogen werden >Quelle: www.wikipedia.de<.
Das Böse ist kein Fremdkörper in dieser Welt. Es wohnt mitten unter uns. Es sitzt im Bus, trägt eine Aktentasche, spricht freundlich und hat gelernt, sein Lächeln rechtzeitig einzuschalten. Das Böse trägt keine Maske, denn es trägt unser Gesicht. Man meint, es erkenne sich an blutigen Händen oder finsteren Gestalten, doch das Böse ist höflicher. Es reicht dir die Hand und fragt, wie es dir geht. Und schneidet dich langsam in Stücke, während du noch glaubst, du hättest einen Freund gefunden. Wir glauben, das Böse sei eine Ausnahme. Dabei ist es der Normalzustand – nur besser getarnt. Es predigt Moral, während es Sünden zählt. Es spricht von Frieden und kauft sich Waffen. Es ruft nach Gerechtigkeit und lebt vom Urteil über andere.
Das Böse ist ein unruhiger Mitbewohner. Es sitzt nicht im Kerker, es wohnt nebenan. Es bringt den Müll runter, zahlt pünktlich die Miete und winkt freundlich, wenn man ihm im Treppenhaus begegnet. Es fängt dort an, wo Liebe auf Erziehung trifft, und Moral auf Besitzanspruch. Im Elternhaus, im Schlafzimmer, am Esstisch. Man sagt, das Böse liege im Auge des Betrachters. Das mag stimmen, vor allem, wenn man sich lange genug einredet, der Spiegel zeige nur das Gute. In Wahrheit lebt das Böse davon, dass es ständig in guten Absichten verpackt wird. Und es liebt den Gedanken, auf der richtigen Seite zu stehen. Denn dort fühlt es sich am sichersten. Das Böse nährt sich von der Gewissheit. Von all jenen, die felsenfest wissen, was richtig ist. Denn wer sich sicher ist, irrt am tiefsten. Und das Böse gibt es überall: in der Familie, in der Kindheit und Jugend, auf der ganzen Welt und vor allem in den Religionen. Dort ist es so präsent, dass ich ihr ein eigenes, unrühmliches Kapitel gewidmet habe.
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Das Böse trägt keine Hörner. Es trägt Familienfotos im Portemonnaie. Es backt Kuchen für den Schulflohmarkt und schreibt Weihnachtskarten mit „Herzlichst…“, auch wenn’s nicht ehrlich gemein ist. Es weiß, wie man betet, spendet und gleichzeitig lächelt, wenn andere fallen. Das Böse in der Familie ist kein Zufall. Es wird vererbt, getauft, gesegnet. Es wandert von Ohrfeige zu Ohrfeige, von Schweigen zu Schweigen. Und manchmal, mit besonders perfider Gnade, tritt es als Retter auf. Dann heißt es: „Wir wollen nur dein Bestes.“ Und meint: „Wir wollen dich brechen, bevor du uns durchschaust.“ und „Ich will die Kontrolle.“ Familien sind die schönsten Werkstätten des Bösen. Kein Ort erzeugt so viele Masken, so viele gebrochene Spiegel. Und kein Ort bringt Menschen besser bei, wie man lächelt, während man innerlich schreit. Vielleicht ist das Böse kein Dämon, sondern eine Erziehungsmethode. Ein Traditionsgut. Ein heiliger Familienschatz, weitergereicht, gepflegt, poliert, fromm verpackt. Das Böse in der Familie braucht keine Opfer. Es zieht sie selbst groß.
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In den Schulen lernt man früh die Kunst des Überlebens: Nicht auffallen, nicht anders sein, nicht zu laut denken. Individualität wird gefeiert; aber nur, wenn sie normgerecht ist. „Du kannst alles werden“, sagen sie, „solange du bleibst, wie wir dich haben wollen.“ Das ist Dressur in Sonntagskleidung. Das Böse in der Jugend trägt Noten, Bewertungen und Zensuren. Es ist das Gefühl, ständig gemessen zu werden: an Maßstäben von Menschen, die selbst nie glücklich wurden. Und wenn ein Kind nicht mehr will, nicht mehr ‚funktioniert‘, heißt es: „Das war ein schwieriges Kind.“ Nein! Und nochmal nein! Es war ein ehrliches Kind in einer verlogenen Welt.
Später nennt man sie ‚Problemjugendliche‘. Man schiebt sie in Schubladen, füttert sie mit Diagnosen und wundert sich, warum sie explodieren. Aber wer täglich lernt, dass Schweigen klüger ist als Aufstehen, dass Gefühle Schwäche sind und Rebellion Undank, der wird irgendwann nicht mehr still, sondern laut. Und dann zeigt die Gesellschaft mit dem Finger und ruft: „Seht, das Böse in der Jugend!“ Dabei zeigt sie auf ihr eigenes Spiegelbild. Die Jugend ist nicht böse. Sie ist nur ehrlich genug, das zu zeigen, was die Alten längst verdrängt haben. Vielleicht liegt das wahre Böse gar nicht in ihr, sondern in der Fähigkeit der Alten, immer wieder so zu tun, als hätten sie nichts damit zu tun.
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Das Gute, sagen sie, siegt am Ende immer. Wirklich? Dann erklärt mir, warum die Moral immer eine Heilige ist? Aber nie Hunger hat. Warum Gerechtigkeit blind ist? Aber immer denselben trifft. Und warum ausgerechnet jene, die von ‚Werten‘ reden, sie am leichtesten verraten. Vielleicht braucht das Gute das Böse nur als Spiegel, um sich selbst schönzureden. Vielleicht ist das Böse nicht das Gegenteil, sondern der Preis. Und vielleicht sind wir alle nur deshalb so bemüht, gut zu wirken, weil wir tief drinnen wissen, dass wir’s nicht sind. Das Böse ist nicht besiegbar. Aber es ist erkennbar. Und manchmal reicht das schon, um es im eigenen Leben kleiner zu machen. Vielleicht beginnt das Gute genau dort, wo jemand aufhört, weiterzugeben, was ihm selbst angetan wurde. Vielleicht ist Erlösung nichts Göttliches, sondern schlicht die Entscheidung, nicht mehr mitzumachen. Das wäre schon viel. Für eine Spezies, die das Böse erfunden hat, um sich nicht selbst anschauen zu müssen.
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Und spät in der Nacht, als die Schatten länger wurden als meine Gedanken, fragte mich ein Fremder mit einer Kerze in der Hand: „Sag mir – was ist das Böse?“ Und ich sprach: „Das Böse ist kein Wesen, das im Dunkeln lauert, sondern ein Echo aus dem Inneren des Menschen. Es nährt sich nicht vom Hass, sondern von Gleichgültigkeit. Denn nicht jene sind die Schlimmsten, die Böses tun, sondern jene, die zusehen und schweigen. Das Böse ist der Bruder des Guten, geboren aus derselben Angst, vergessen zu werden. Und wer nur das Gute sucht, erkennt nicht, dass Licht und Schatten denselben Ursprung teilen. Darum verfluche das Böse nicht. Erkenne es, benenne es, und weigere dich, es weiterzutragen. Denn wer den Kreis bricht, wird nicht heilig – nur menschlich. Und das genügt.“
– Aus dem ‚Gibran-Zyklus‘ von Mike Schwarz © 2025 –
„Wenn ein Tautropfen sagt: In Jahrtausenden werde ich nichts anderes sein als ein Tautropfen, so entgegnet ihm: Weißt du nicht, dass sich das Licht aller Jahre in deiner Oberfläche spiegelt?“ >Khalil Gibran<.
Aus mathematischer Sicht bezeichnet Chance (>?????s(?)<, auch >??a?s?<) die Möglichkeit des Eintreffens eines günstigen Ereignisses mit einer mathematischen Wahrscheinlichkeit, die größer als Null, aber kleiner als Eins, ist. Man bezeichnet dann auch oft die Wahrscheinlichkeit selbst als Chance. Gewinnchance ist also die Möglichkeit, etwas zu gewinnen. Im weiteren Sinn ist eine Chance als günstige Aussicht zu verstehen, die im Gegensatz zu einem Risiko steht. Antonyme >griech.: entgegengesetzte Bedeutung< zur Chance sind also Risiko und Gefahr >Quelle: bei www.wikipedia.de<.
Nun ja! Jetzt habe ich die Chance, meinen geistigen Ergüssen zu diesem Thema freien Lauf zu lassen. Was das Thema Mathematik angeht, so bin ich hier absolut chancenlos. Mathe war nie mein Ding. Doch gelang es mir in meinem turbulenten Leben, mit einem ausgeglichenen Diplom-Mathematiker eine Beziehung zu führen. Dadurch hatte ich immerhin die Chance, aufkommende mathematische Fragen durch ihn beantworten zu lassen. Vor meiner Geburt hatte ich theoretisch die Chance auf eine schöne Kindheit. Praktisch verlief sie anfangs jedoch weniger glücklich. Mit neun Jahren war ich faktisch chancenlos, noch adoptiert zu werden. Doch ich hatte das große Glück, mein Leben nicht länger in desolaten, kinderverachtenden ‚Erziehungsanstalten‘ zu verbringen, sondern in einer wohlbehüteten, kleinbürgerlichen Familie aufzuwachsen. Das bot mir die Chance auf eine gute Allgemeinbildung und bewahrte mich davor, in ein kriminelles Umfeld abzurutschen. Man sieht: Auch wenn man glaubt, keine Chance mehr zu haben, kann sich doch noch eine eröffnen.
Am Anfang stehen die Kinder. Sie sind die reinen Möglichkeiten in Menschengestalt. Noch unverbaut von Logik, Statistik oder dem Satz „Das geht nicht.“ Sie glauben, sie könnten Astronauten werden, ohne zu wissen, was Gravitation ist. Sie glauben an Zauberei, ohne zu fragen, ob man sie studieren kann. Und wenn sie tanzen, dann nicht, weil Musik läuft, sondern weil Bewegung einfach sein muss. Später lernen sie, dass man nicht alles werden kann. Dass man Bildung, Papiere braucht, Zulassungen, Quoten, Vitamin B. Aber ganz am Anfang: da ist noch alles erlaubt. Kinder nennen das Spiel. Erwachsene nennen es Illusion. Ich nenne es: Freiheit. Wer Glück hat, darf eine Weile in dieser Freiheit bleiben. Wer Pech hat, trifft früh auf Menschen, die erklären, wie die Welt wirklich ist, also so, wie sie selbst sie sehen. Manche verlieren da schon ihre Chancen, noch bevor sie wissen, dass sie welche hatten.
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Kinder von Eltern ohne Schulabschluss haben deutlich geringere Chancen als Kinder aus bildungsnahen Familien. Die PISA-Studie belegt: Nur sieben Prozent der Kinder von Eltern ohne Schulabschluss schaffen das Abitur. Dagegen 67 % der Kinder von Eltern mit Abitur. Neben der Bildung der Eltern spielt auch Armut eine zentrale Rolle. Nur drei Prozent der Kinder aus armen Familien erreichen das Gymnasium; bei Kindern aus wohlhabenden Haushalten liegt der Anteil bei 30 %. Und was ist mit der Chancengleichheit auf dem Wohnungsmarkt? Wird ein Vermieter einem Schwarzafrikaner, einem Hartz-IV-Empfänger, einem Schwerbehinderten, einem offen schwul lebenden Mann, einem Vorbestraften, einem Ex-Junkie oder einer kinderreichen Familie den Vorzug geben? Oder sich doch lieber für die Doppelverdiener entscheiden?
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Ich bin überzeugt, dass engagierte Lehrer selbst unter ungünstigen Bedingungen ihren Schülern zu besseren Bildungschancen verhelfen können. Leider wird diese Möglichkeit viel zu häufig verspielt. Statt die Bildungsmisere allein auf Herkunft oder soziale Schicht zu schieben, sollten Schulen sich fragen, ob sie Problemen nicht zu passiv begegnen. Sind es nicht eher die schlechten Rahmenbedingungen der Schulen selbst, die Chancenungleichheit erzeugen? Ohne Fleiß kein Preis! Das gilt nicht nur für Schüler, sondern auch für Pädagogen. Ein Angler, der nur eine Angel im Wasser hat, fängt weniger Fische als der, der viele Angeln auslegt. So können wir unsere Chancen erhöhen, indem wir uns aktiv um sie bemühen. Den Rest dürfen wir getrost dem Zufall oder der Bestimmung überlassen. Wir sollten uns nie entmutigen lassen, wenn wir eine Chance verpasst haben. Die nächste wartet meist schon auf uns. Mit Resignation oder Frustration werden wir sie jedoch kaum ergreifen.
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Auch im Krieg sprechen Menschen von Chancen. Eine seltsam verdrehte Wortwahl. Finde ich. Da ist die Chance zu überleben, die Chance, nicht verwundet oder getötet zu werden, die Chance, nach Hause zu kommen. Doch im Grunde ist jeder Krieg die verpasste Chance, Konflikte menschlich zu lösen. Wo Waffen sprechen, schweigt der Verstand. Der Krieg beginnt dort, wo die Sprache endet. Wer schießt, hat aufgehört zuzuhören. Und doch: Selbst im größten Dunkel flackern manchmal Lichter. Menschen riskieren ihr Leben, um andere zu retten, um Menschlichkeit zu bewahren. Sie beweisen, dass selbst dort, wo alles zerstört scheint, noch die Chance auf Mitgefühl, Mut und Neubeginn existiert. Aus den Trümmern wächst nicht nur Beton: Manchmal wächst auch Bewusstsein. Ich sehe das Leben nicht schwarz. Ich sehe es bunt, chaotisch, widersprüchlich, aber immer voller Möglichkeiten. Jede Krise, jeder Verlust, jedes vermeintliche Ende trägt die Chance in sich, etwas Neues zu erkennen oder zu erschaffen.Vielleicht liegt genau darin die größte Kunst des Lebens: nicht die Chancen zu zählen, sondern sie zu sehen. Think positiv – immer!
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Und eines Tages, als der Regen aufhörte und die Sonne zögernd durch die Wolken tastete, fragte mich eine Frau mit einem Koffer voller Enttäuschungen: „Sag, was ist eine Chance?“ Und ich antwortete ihr: „Eine Chance ist kein Geschenk des Himmels, sondern eine Einladung des Lebens. Sie kommt selten zur rechten Zeit und nie in bequemer Gestalt. Viele erkennen sie nicht, weil sie im Mantel der Zumutung erscheint. Doch wer sie ergreift, verändert nicht die Welt – er verändert sich, und das genügt. Denn jede verpasste Chance hinterlässt eine Spur von Sehnsucht, und jede genutzte eine Spur von Mut. Fürchte nicht, was du versäumt hast, sondern das, was du nicht mehr wagst. Denn die wahren Chancen des Lebens erkennt man oft erst, wenn man den Mut hat, die Tür zu öffnen, hinter der man das Klopfen überhört hat.“
– Aus dem ‚Gibran-Zyklus‘ von Mike Schwarz © 2025 –
„Sogar die Masken des Lebens sind Masken tieferer Geheimnisse“ >Khalil Gibran<.
Der Ausdruck Charisma (v. griech.: chárisma Gnadengabe, aus Wohlwollen gespendete Gabe) findet sich ursprünglich vor allem in der jüdisch – christlichen Tradition (Philo, Septuaginta, Neues Testament) und bezeichnet allgemein die von Gott dem Menschen geschenkten Güter, wobei das Wort das Wohlwollen als Motivation der Gabe betont. Der Ausdruck wird dann vor allem bei Paulus für die nichtmateriellen Güter verwendet. Allgemein wird der Ausdruck in der Religionswissenschaft einerseits für die Begabung oder Befähigung zum Empfang von Offenbarungen, Inspirationen oder Erleuchtungen verwendet, anderseits – verbunden mit religiöser Devianz und Innovation – für die Schaffung einer eigenen von einer bestimmten Gruppe anerkannten numinosen Autorität >Quelle: www.wikipedia.de<.
Vielleicht ist Charisma nichts, das man besitzt. Vielleicht ist es nur das kurze Aufflackern einer inneren Wahrheit, die sich traut, sichtbar zu werden. Ein Atemzug aus Echtheit, ein Licht, das sich nicht darum schert, ob jemand hinschaut. Charisma ist dann, wenn Stille zu sprechen beginnt. Wenn ein Raum sich verändert, ohne dass jemand ihn betritt. Wenn ein Blick mehr sagt als ein Bekenntnis und ein Lächeln die Welt für eine Sekunde anhält. Es wohnt in einer Geste, in einem Geruch, im warmen Staub eines Sommerabends, im Meer, das schweigt, weil es nichts mehr beweisen muss. Vielleicht auch in einem Kind, das noch nicht gelernt hat, seine Augen zu verstecken. Charisma ist kein Geschenk des Himmels, sondern eine Erinnerung an das, was wir alle einmal waren, bevor wir anfingen, uns zu erklären.Und vielleicht, nur vielleicht, ist genau das die größte Gnadengabe von allen.
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In der katholischen und evangelischen Glaubenslehre wird in der Bezeichnung von Charisma die Gabe des Heiligen Geistes für Christen hineininterpretiert. Was ich persönlich für völligen Schwachsinn halte. Charisma braucht keinen Glauben. Was nicht ausschließt, dass charismatische Menschen, da muss ich lange überlegen, bis mir eine Handvoll einfällt, auch ihren ganz persönlichen, nicht unbedingt religiös geprägten Glauben hatten oder haben. Völlig unsinnig ist die Meinung der Kirchen, dass Menschen, die über Weisheit, Wunderheilungskräfte, Prophetie, Erkenntnis oder starken Glauben verfügen, automatisch Charisma hätten. Wenn es für mich überhaupt einen Bezug zwischen Glaube und Charisma gibt, dann im Sinne von Menschen wie Mutter Teresa, Buddha, Mahatma Gandhi, Che Guevara, Lady Diana, Konrad Adenauer, Sandra Maischberger oder dem Dalai Lama.
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Neuzeitlich sind es häufig die Medien, die uns suggerieren, welche vermeintlichen Persönlichkeiten ohne Charisma als angeblich charismatisch gelten sollen. Ich erinnere nur an Dieter Bohlen, Rudolf Scharping, Verona Pooth, ehemals Feldbusch, oder gar den Albtraum eines Daniel Küblböck. Sie sind wochenlang Medienstars, um dann, Gott sei Dank, schnell wieder in Vergessenheit zu geraten. Das würde wirklich charismatischen Menschen nie passieren. Was also ist Charisma? Für mich haben Menschen Charisma, die öffentlich sagen, was sie wirklich denken und dafür auch ohne Rücksicht auf Verluste eintreten. Hierzu zähle ich als prominentes Beispiel unseren damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler, der sich nicht scheute, uns Deutschen zu Recht vorzuwerfen, ein Volk der Jammerlappen zu sein, und uns aufrief, endlich wieder optimistischer in die Zukunft zu blicken. Er sprach von neuen Gründerjahren. Und in der Folge stürzten Betonköpfe der Politik wie Gerhard Schröder oder Franz Müntefering.
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Der charismatische Mensch zeichnet sich für mich zudem dadurch aus, dass er mit sich selbst im Reinen zu sein scheint, den Sinn des Lebens begriffen hat, sich selbst bedingungslos annimmt, sich für andere Menschen interessiert, eine soziale Ader besitzt und das nonverbal vermitteln kann. Er ist in der Lage, sich selbst zu lieben, und hat eine grundsätzlich lebensbejahende Überzeugung. Solche Menschen üben eine starke Anziehungskraft auf mich aus. Schade nur, dass ich ihnen in meinem persönlichen Umfeld nur selten begegne.
Natürlich können auch Landschaften oder Dinge ein gewisses Charisma haben, das mich anzieht: der Niederrhein im goldenen Oktober, die Werke von Christo und Jeanne-Claude, die Schönheit des Louvre, die chinesische Mauer oder der Sonnenaufgang am Strand. Selbst liebevoll zubereitete kulinarische Köstlichkeiten können in mir das Gefühl von Charisma auslösen. Charisma ist mithin immer auch mit Emotion verbunden. Auch Kleinkinder haben für mich Charisma. Zumindest so lange, bis sie die Ausstrahlung ihrer kindlichen Augen verlieren. Diese Augen, die jeden Liebhaber von Kindern, und damit sind selbstverständlich keine Pädokriminellen gemeint, in ihren Bann ziehen: Reinheit. Wahrheit. Unverdorbenheit. Neugierde. Naivität.
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Und an einem dieser Tage, an denen selbst der Himmel zu lächeln schien, fragte mich eine junge Frau, die mehr leuchtete als ihr Schmuck: „Was ist Charisma?“ Und ich flüsterte ihr zu: „Charisma ist das Licht, das nicht blendet, sondern wärmt. Es entsteht, wenn ein Mensch aufhört, etwas darzustellen, und einfach ist. Manche nennen es Ausstrahlung, doch in Wahrheit ist es Frieden, der sichtbar wird. Denn wer sich selbst erkennt, zieht andere nicht an. Er erinnert sie an sich selbst. Charisma kann man nicht lernen, man kann es nur zulassen. Es wohnt in jenen, die zuhören, ohne zu urteilen, und geben, ohne zu rechnen. Und wenn du einem solchen Menschen begegnest, erkennst du ihn nicht an seinen Worten, sondern an der Stille, die er in dir hinterlässt.“
– Aus dem ‚Gibran-Zyklus‘ von Mike Schwarz © 2025 –
„Wenn jemand durch ein Traumbild berauscht ist, hält er den schwachen Ausdruck der Erscheinung für den wahrhaftigen Wein. Du trinkst, um berauscht zu werden; und ich trinke, dass er mich ernüchtern möge von jenem anderen Wein“ >Khalil Gibran<.
Nach Definition der Weltgesundheitsorganisation gilt jede Substanz als Droge, die in einem lebenden Organismus Funktionen zu verändern vermag >Quelle: www.wikipedia.de<.
Erstmal vorweg: Der Begriff ‚Droge‘ wird nicht überall gleich definiert. Das Wort kommt ursprünglich aus dem Niederländischen und bedeutet ‚trocken‘. Früher meinte man damit vor allem getrocknete Pflanzen, zum Beispiel Gewürze. Davon weiter abgeleitet sind die Drogerien bzw. Drogeriemärkte. In erster Linie denken wir bei dem Wort Drogen aber eher an die bei uns verbotenen Stoffe Haschisch, Marihuana, Heroin, Kokain, Speed, Ecstasy, LSD und alles, was sonst so auf dem Schwarzmarkt erhältlich ist. Doch Kaffee, Alkohol und Nikotin sind weltweit die Drogen Nummer eins. Allen Drogen gemein ist, dass sie körperlich wie psychisch abhängig machen können und nicht selten tödlich enden. Grundsätzlich verändern diese Substanzen die Nervenzellen im Gehirn; die Wahrnehmung des Ichs und der Umwelt verschiebt sich. Und meistens empfindet man das erst einmal als angenehm. Sonst wurde man ja die Finger davon lassen. Oder?
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Jugendliche und Drogen. Das ist wie Feuer und Haarspray: spannend, aber potenziell brandgefährlich. Viele probieren Drogen aus, weil sie neugierig sind oder dazugehören wollen. Sie wollen wissen, wie sich das anfühlt, wo ihre Grenzen liegen, und ganz ehrlich: Neugier ist ja nichts Schlechtes. Nur leider ist das Gehirn in der Pubertät noch in der Baustellenphase: Schilder aufgestellt, aber das logische Denken wurde vorübergehend außer Betrieb genommen. Gefühle fahren Achterbahn, und wer da im Überschwang etwas einwirft, denkt selten über den nächsten Looping nach. Eltern und andere Erziehungsberechtigte sollten sich dabei an ihre eigene Jugend erinnern. Ja, genau, die Zeit mit den schrägen Frisuren und den „Das passiert mir nie!“-Momenten. Jugendliche wollen Neues erleben, auch Verbotenes. Statt also heimlich das Kinderzimmer nach verdächtigen Pülverchen zu durchforsten, ist Vertrauen die bessere Währung. Wenn man merkt, dass da was im Busch ist, lieber den passenden Moment abpassen und ruhig, offen und sachlich über die Fakten und Risiken sprechen. Moralpredigten bringen wenig, ehrliche Gespräche auf Augenhöhe dagegen oft erstaunlich viel.
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Jedem steht es frei, sich für eine harte oder eine weiche Droge zu entscheiden; das Angebot ist schier unermesslich. Kokain gilt als klassische harte Droge, verursacht aber anders als Alkohol keine körperliche Abhängigkeit. Amphetamine führen zwar zur körperlichen Abhängigkeit, gelten formal aber nicht als die härtesten Stoffe. Die Wahrheit: Klassifikationen dienen meist nur als Diskurs-Spielwiese. Ob wir wollen oder nicht, spätestens in der Psychiatrie, auf der Intensivstation, dem Alten- oder Pflegeheim kriegt man Drogen verabreicht. Und was dann tatsächlich großartig ist: Kein Staatsanwalt klagt uns an, kein Richter verurteilt uns. Ob die Droge vollsynthetisch, halbsynthetisch oder aus Omas Kräutergarten stammt, interessiert dann keinen Menschen mehr.
Man darf auch nicht vergessen, wie ‚wunderbar‘ mit Drogen weltweit verdient wird. Wie sähen Monaco, Las Vegas oder Marbella ohne den Drogenhandel aus? Wie leer wären deutsche Etablissements, wenn die Mädchen nicht gelegentlich mithilfe chemischer Freundlichkeit gefügig gemacht würden? Wovon lebten Diskotheken, wenn ihre Gäste nicht voll bekifft kämen? Kein Risiko – kein Spaß, lautet die Branchen-Maxime. Und dann staunt man, wenn sonntags ein frommer Vertreter auf der Kanzel steht und gegen Drogen predigt. Vielleicht ist Hochwürden auch noch ein bisschen bekifft, wer weiß?
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Hauptlieferanten für den deutschen Markt? Kokain aus Bolivien und Kolumbien, Opium und Heroin aus Afghanistan, Ecstasy-Billigramsch aus den Niederlanden oder Tschechien, Cannabis aus Marokko, den Niederlanden oder der Schweiz. Weltweit werden hunderttausende, eher mehrere zehn bis hundert Millionen Konsumenten geschätzt. Eine Industrie, so groß wie ein Planet mit Schattenwirtschaft. Kokain ist Luxus, Crack die billigere und gefährlichere Alternative. Die Medienberichterstattung zeigt gern die Prominenten, die sich diesen Luxus leisten; deren Abstürze wiederum füllen Boulevardseiten. Im Hintergrund aber zerstört Sucht Existenzen stiller und viel häufiger. Statistiken sagen: In Deutschland sterben pro Jahr rund 1.500 Menschen an weichen und harten illegalen Drogen, wohingegen etwa 42.000 Menschen durch übermäßigen Alkoholkonsum und 110.000 durch Tabak ihr Leben verlieren. Die finanziellen Schäden durch Suchtverhalten gehen in die Milliarden: Gesundheitskosten, Beschaffungskriminalität, soziale Folgekosten.
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Abhängigkeiten beschränken sich nicht nur auf Alkohol, Nikotin oder Drogen. Es gibt Arbeitssüchtige, Sportsüchtige, Spielsüchtige, Sammelsüchtige, Kaufsüchtige, Sexsüchtige, Fresssüchtige, Medikamentensüchtige, Eifersüchtige, Magersüchtige, Internetsüchtige, Fernsehsüchtige, Machtsüchtige. Und nicht zu vergessen: Glaubenssüchtige. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass sich Abhängigkeit schleichend entwickelt. Die Betroffenen bemerken oft nicht, wie sich ihre Persönlichkeit verändert. Egal, welche Sucht uns betrifft: Im Prinzip täuschen wir uns ein positiveres Leben vor, das uns letztlich Freiheit kostet.
Sucht bedeutet immer auch den Verlust der Fähigkeit, frei zu denken. Stattdessen konzentrieren wir uns nur noch auf die Befriedigung unserer jeweiligen Ersatzgötter. Oft führt Sucht dazu, dass wir weder Vergangenheit noch Zukunft sehen. Es sei denn, sie hilft uns bei der Organisation der nächsten Dosis. Süchtige leben in der Dominanz des Augenblicks. Ich selbst habe keinen Grund, meine Alkohol- oder Nikotinsucht zu leugnen. Würde ich das tun, wäre ich kein kontrollierter Alkoholiker mehr, sondern ein Lügner.
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Und in einer Nacht, in der der Rauch dichter war als meine Gedanken, setzte sich ein junger Mann neben mich, roch nach Sehnsucht und fragte: „Sag mir, was ist Sucht?“ Und ich schwieg einen Moment, dann sagte ich: „Sucht ist das Flüstern der Seele, die nicht gehört wird. Sie beginnt als Trost und endet als Kette. Viele nennen sie Versuchung, doch sie ist nur der Schrei nach Frieden. Der Mensch greift nach Rausch, weil die Stille zu laut ist. Und was als Flucht beginnt, wird zum Zuhause, aus dem man nicht mehr hinausfindet. Verurteile nicht den Süchtigen: erkenne in ihm den, der zu viel fühlt. Denn wer nichts mehr spürt, braucht keine Drogen. Und wer zu viel spürt, sucht sie. Erlösung beginnt dort, wo man den Schmerz nicht mehr betäubt, sondern ihm zuhört.“
– Aus dem ‚Gibran-Zyklus‘ von Mike Schwarz © 2025 –
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